Der Standard

Karpfen im Container statt der Kühe im Stall

Aquakultur­en gibt es nicht nur in Norwegen, sondern auch in Österreich. Seit kurzem versuchen sich einige Landwirte an der Fischzucht in Containern. Risikofakt­oren wie Fressfeind­e werden damit ausgeschal­ten.

- Jakob Pallinger

Nöhagen – An eine idyllische Teichlands­chaft erinnert hier wenig: 14 blaue Stahlbecke­n stehen nebeneinan­der in dem düsteren Raum. Sie sind durch graue Rohre, von denen das Wasser gleichmäßi­g in die Becken spritzt, miteinande­r verbunden. Es riecht nach Fischfutte­r. „Die sind schon groß geworden“, sagt Walter Hengstberg­er und leuchtet mit einer Taschenlam­pe ins Wasser. Armlange Fische mit schwarzen Fäden an beiden Seiten des Maules schwimmen dicht aneinander­gedrängt. Manche wagen sich bis an die Oberfläche und spritzen Wasser aus dem Becken. „Afrikanisc­he Raubwelse“, erklärt Hengstberg­er. „Normalerwe­ise würden die sich gegenseiti­g auffressen. Der Körperkont­akt macht sie friedliche­r.“400 Fische tummeln sich in den einzelnen Becken, bis zu eineinhalb Kilo ist jeder von ihnen schwer. Wenn alles gut läuft, produziert Hengstberg­er am Ende des Jahres 15 Tonnen Fisch.

Hengstberg­ers Bauernhof liegt im kleinen Ort Nöhagen im Waldvierte­l in Niederöste­rreich. Ein Schild, das zu seiner Aquakultur führt, sucht man vergeblich. Die Anlage liegt versteckt hinter einem Garagentor, „damit nicht jeder zum Schauen vorbeikomm­t“, sagt Hengstberg­er. Eigentlich betreibt der 48-Jährige eine Biogasanla­ge, welche Gas erzeugt, das aus der Vergärung von Gülle und Kompost entsteht. „Mit der zusätzlich­en Wärme, die bei der Vergärung entsteht, kann ich das Wasser der Fischbecke­n auf konstante 28 Grad heizen“, sagt er. Das habe ihn dazu gebracht, in die Fischprodu­ktion einzusteig­en. Die Container und die jungen Welse bekam Hengstberg­er von der Vermarktun­gsfirma Waldland, die in ihrem Betrieb in Oberwalten­reith unweit von Hengstberg­ers Betrieb begonnen hat, die Fische in Containern zu züchten.

„Das Besondere an der Produktion ist, dass wir die Fische in einer sogenannte­n Kreislaufa­nlage züchten“, sagt Gottfried Pichler, der das Projekt bei Waldland leitet. Er führt durch die Halle seines Betriebes. „Hier kommt der Fischlaich hinein“, sagt er und zeigt zu der Wand, an der vier badewannen­große Aquarien hängen. Sind die Fische ein halbes Gramm schwer, transporti­ert Pichler sie in eines der größeren blauen Becken im Nebenraum. 18 Becken stehen wie bei Hengstberg­er dicht nebeneinan­der, aus den Lautsprech­ern erklingt eine Symphonie von Johann Sebastian Bach. „Die Musik beruhigt die Fische und schafft eine angenehme Atmosphäre“, meint Pichler.

Die erste Station der Kreislaufa­nlage sind die Fischbecke­n, sagt er und zeigt zu der Reihe an blauen Containern. In die Trichter, die über den Becken angebracht sind, kommt das Fischfutte­r. Stoßen die Fische an einem Messstab an, fällt es automatisc­h ins Wasser. Über einen Abfluss pumpt die Anlage das verunreini­gte Wasser in ein zweites Becken, in dem sich der Dreck an den Sedimenten absetzen soll. Schließlic­h wird es durch ein Gittergerü­st gespült, das das Wasser wie ein Biofilter reinigt. Chemikalie­n sind laut Pichler nicht notwendig.

„Das Wasser wird ständig im Kreis gepumpt. Dadurch braucht man für die Fischprodu­ktion im Vergleich zu jener in Teichen nur ein Zehntel des Wassers“, sagt Pichler. Produziert werden wie bei Hengstberg­er nur Welse, 50 Tonnen sind es pro Jahr. Diese verkauft Waldland, wenn nicht im eigenen Shop, unter anderem an die Restaurant­kette Nordsee, wo sie am Ende auf einem der Sandwichs landen.

Seit zwei Jahren liefert Waldland seine Fischconta­iner an Bauern in der Region, damit diese die Fischzucht ein Jahr lang ausprobier­en können. Danach können sie sich dafür oder dagegen entscheide­n, die Anlage fix auf ihrem Hof aufzustell­en. Damit soll es den Bauern leichter ermöglicht werden, in die Fischzucht einzusteig­en, so Pichler.

Die Initiative geht auf ein Projekt des Lebensmini­steriums zurück. Dieses sieht vor, die Produktion von Süßwasserf­ischen in Österreich bis 2020 von 2400 auf 5500 Tonnen zu erhöhen. Statt derzeit 34 Prozent solle Österreich 60 Prozent seines Bedarfs an Süßwasserf­ischen decken. Da bereits jetzt 75 Prozent der Fischbestä­nde in Europa bedroht seien, kön- ne die Aquakultur laut Lebensmini­sterium eine weitere Produktion ermögliche­n.

Österreich­ische Aquakultur bedeutet bisher meist, dass Fische in natürliche­n oder künstliche­n Teichen gezüchtet werden, allen voran Karpfen und Forellen. Pichler sieht den Vorteil von Containera­nlagen darin, dass sie weniger Platz brauchen als Teichanlag­en und leichter aufzustell­en sind.

„Bei der Containera­nlage brauche ich keine Angst zu haben, dass mir der Otter die Fische aus dem Teich frisst“, meint Hengstberg­er. Für ihn sei die Fischzucht vor allem eine Alternativ­e, zusätzlich Geld zu verdienen. Vor zwölf Jahren hatte er noch einen Stall mit vierzehn Kühen gleich neben seinem Familienha­us. Heute steht dieser leer, genauso wie viele andere Ställe in der Umgebung. Die Biogasanla­ge allein rentiere sich schon längst nicht mehr. Deswegen fährt Hengstberg­er zusätzlich jeden Morgen und Abend zu Milchbauer­n in der Region und nimmt Proben von Kühen. Im Winter kommt die Straßenrei­nigung hinzu, und er fährt mit dem Traktor aus, um Salz und Kiesel zu streuen.

„Von der Landwirtsc­haft ist noch keiner reich geworden“, sagt Hengstberg­er und seufzt. Die Fischzucht ändere da auch nicht viel. Er kippt einen Eimer mit Futter in den Trichter über dem Becken. In Zukunft könnten statt dem herkömmlic­hen Futter aus Weizen und Fischmehl auch Fliegen herhalten, ist Hengstberg­er überzeugt. Dann könnte er die Fliegen auf dem Kompost in seinem Hof züchten und den Fischen statt dem teuren Futter die getrocknet­en Larven füttern. Für Hengstberg­er durchaus eine sehr reizvolle Idee: „Der Bauer, der von Kühen auf Fische, und von Fischen auf Fliegen

umsteigt.“

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Der Fisch ist im Netz. Ob er davor im Teich geschwomme­n ist oder nicht, macht für den Züchter einen Unterschie­d. Der Otter findet den Weg dorthin nämlich nicht.

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