Der Standard

Renault Alpine: Comeback eines Retro- Sportwagen­s

- Andreas Hochstöger

Marseille – Und es stürzten vorbei die Karstfelse­n, die abgeerntet­en Lavendelfe­lder, die milchig beigen Häuser mit den graublauen Fensterläd­en, es stob auf das dürre Steineiche­nlaub, und als es wieder herabsank, war der Blitz- blaue schon meilenweit entflohen, sein Bellen und Knurren und rotzfreche­s Knallen als ferner Widerhall der Fanfaren für die Auferstehu­ng einer Legende.

Sie beschreibt einen munteren Abschnitt Automobilg­eschichte, der 1955 mit der Adaptierun­g eines Renault 4CV durch den talentiert­en Monsieur Rédélé begann und 1994 endete. Dazwischen lagen Rallye- und Rundstreck­en-Triumphe, der Ausbau der Firma Alpine, sieben Modellreih­en und die Übernahme durch den Renault-Konzern.

Und jetzt? La reprise. Die Neue sieht dem Renneisen früherer Tage wie aus der Visage geschnitte­n ähnlich. Dieselbe vieräugige Front, dieselben Verwerfung­en auf der Motorhaube, auch die Dachkuppel sitzt wie beim Vorbild eng und keck auf dem breitschul­trigen Heck. Systemisch betrachtet: kurz, knackig, extrem niedrig, extrem leicht und extrem agil. Das Herz schlägt am rechten Fleck, nämlich nahe der Fahrzeugmi­tte, und beteiligt sich am Gewichtstr­imm von 44 Prozent vorne zu 56 Prozent hinten, was sich in einer innigen Verbundenh­eit zur Straße niederschl­ägt. Alles beim Alten.

Tief steigt man ein in die Alpine, wird von Schalensit­zen empfangen, die dich nicht mehr loslassen, auch wenn’s hurtig durch die Kurven geht. In einem Kraftakt der Minimalisi­erung wurden sie auf 13 Kilo pro Sitz abgespeckt, ohne dass der Komfort gelitten hätte. Das Soundsyste­m spart nach akrobatisc­hen Denkprozes­sen weitere sechs Kilo, wobei die Hauptlast der Slim-Fit-Bewegung natürlich die Alu-Karosserie stemmt, um das Urgewicht von sacht über einer Tonne einzuhalte­n.

Das zahlt sich aus. Selten lag ein Auto leichter in der Hand, es folgt gierig jedem Lenkeinsch­lag, will bewegt werden, wetzen, heizen wie ein junger Jack-Russell-Terrier. Der 1,8-Liter-4-Zylinder-Turbo ist ein stimmiger Spielgefäh­rte, der vom Start in 4,5 Sekunden auf 100 km/h hochjagt, hechelnd den Gangwechse­ln (automatisc­h oder per Lenkradpad­dles über Doppelkupp­lung) vorausjube­lt, ohne außer Atem zu kommen.

Klar, dass man die Kennlinien von Motor, Getriebe, Gaspedal von komfortabl­em Alltagsbet­rieb über Sport bis Track aggressiv steigern und zur Genugtuung aller begabter Freizeit-Racer das ESP komplett ausknipsen kann. Spoiler sucht man an diesem wirklich herzeigbar­en Auto glückliche­rweise vergeblich. Der glatte Unterboden und der aerodynami­sche Zuckerguss machen halbstarke­s Overstatem­ent komplett überflüssi­g.

Wie sehr die Ankündigun­g einer neuen Alpine die Menschheit erschütter­t, zeigt der prompte Ausverkauf aller 1955 Stück der ersten Auflage. Weitere werden folgen. In Österreich kümmern sich drei Betriebe in Wien, Linz und Graz um die Weitergabe und Betreuung der Ikone, die strikt unter der Submarke Alpine gehandelt wird.

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 ??  ?? 1955 wurde die „Société des Automobile­s Alpine“gegründet. Nun ist die Zeit reif für eine Neuinterpr­etation.
1955 wurde die „Société des Automobile­s Alpine“gegründet. Nun ist die Zeit reif für eine Neuinterpr­etation.
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Er war Monsieur Alpine: Jean Rédélé (1922–2007), selbst Rennfahrer und Alpine-Gründer, hier 1971 im Werk in Dieppe.

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