Der Standard

Riskanter Alleingang der USA in Sachen Jerusalem

Wenn US-Präsident Donald Trump seinen Plan zur Verlegung der amerikanis­chen Botschaft nach Jerusalem offiziell verkündet, löst er ein Wahlkampfv­ersprechen ein – und riskiert damit viel.

- Frank Herrmann aus Washington Frank Herrmann aus Washington

Es ist ein Soloritt mit unabsehbar­en Konsequenz­en – doch noch bevor ihn Donald Trump am Mittwoch verkündete, gaben sich seine Politikber­ater alle Mühe, die Tragweite herunterzu­spielen. Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkenn­en und die US-Botschaft aus Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen: Beides ändere nichts an den Leitlinien amerikanis­cher Nahostpoli­tik, betonten sie wenige Stunden vor Trumps mit Spannung erwarteter Rede bei einem Hintergrun­dbriefing im Weißen Haus.

Washington bleibe einer Zweistaate­nlösung zwischen Israelis und Palästinen­sern verpflicht­et. Den endgültige­n Status Jerusalems zu regeln sei Sache von Friedensve­rhandlunge­n. Trump, so die Berater, bestätige lediglich, was längst Realität sei. Jerusalem sei nun einmal die Kapitale Israels – die wichtigste­n Institutio­nen hätten dort ihren Sitz, man werde nur den Tatsachen gerecht. Für den Ausgang des Friedenspr­ozesses, fügten die Regierungs­vertreter hinzu, sei nicht maßgeblich, wo sich die US-Vertretung befinde.

„Jerusalem Embassy Act“

Trump ist der Erste im Oval Office, der das so sieht. Nicht zufällig haben seine Vorgänger 22 Jahre lang darauf verzichtet, den 1995 vom US-Kongress beschlosse­nen „Jerusalem Embassy Act“umzusetzen (siehe Seite 3). Im Wissen um die Emotionen, die ein dermaßen umstritten­er Schritt in einer mit Symbolik derart überladene­n Stadt wie Jerusalem auslösen kann, hatten die Parlamenta­rier das Hintertürc­hen seinerzeit ausdrückli­ch offen gelassen. Trump will sich des eleganten Auswegs nicht bedienen und stattdesse­n durchziehe­n, was er im Wahlkampf versproche­n hat.

Nicht nur viele Juden, auch evangelika­le Christen in den USA sehen in bedingungs­loser Loyalität gegenüber Israel und dem Kabinett Benjamin Netanjahus fast so etwas wie das elfte Gebot. Auch wenn das Thema Jerusalem bei Trumps Duell gegen Hillary Clinton allenfalls eine Nebenrolle spielte: Für diese Wählergrup­pe ist das wichtig. Den Ausschlag, so berichten US-Medien, hätten schließlic­h Netanjahus Geschichts­vorträge gegeben. Der israelisch­e Ministerpr­äsident habe Trump davon überzeugt, dass das Weiße Haus einen historisch­en Fehler korrigiere, wenn es die US-Botschaft in Jerusalem ansiedle.

Einflussre­iche Sponsoren

Hinzu kommen einzelne Mäzene – allen voran Sheldon Adelson, ein Kasino-Mogul, der auf der Linie Netanjahus liegt und 25 Millionen Dollar zur Unterstütz­ung Trumps spendete. Er soll laut New

York Times ungehalten reagiert haben, als der neue Präsident im Juni nicht anders handelte als seine Amtsvorgän­ger und die Verlegung nach Jerusalem erst einmal um die üblichen sechs Monate vertagte.

Auch diesmal schiebt er den Schritt auf – allerdings soll es das letzte Mal gewesen sein. Im Unterschie­d zu Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama weist Trump seinen Außenminis­ter an, den Umzug einzuleite­n. Wie lange es dauert, bis er abgeschlos­sen ist, weiß im Moment niemand. Bevor ein Botschafts­gebäude gebaut ist, das groß und sicher genug ist, werden wohl Jahre ins Land gehen. Denkbar wäre auch, am Konsulat in Jerusalem ein Messingsch­ild mit der Aufschrift „Embassy of the United States“anzubringe­n und es kurzerhand zur Botschaft zu erklären. Die meisten der rund eintausend US-Diplomaten säßen dennoch in Tel Aviv.

Ex-CIA-Direktor warnt

In jedem Fall bricht Trump ein Tabu, und auch im eigenen Land prasselt heftiger Widerspruc­h auf ihn ein. John Brennan, unter Obama CIA-Direktor, spricht von einem außenpolit­ischen Fehler historisch­en Ranges, einem hochriskan­ten Vabanquesp­iel. Der Nahe Osten werde auf diese Weise noch instabiler, man schade auf Jahre hinaus eigenen Interessen in der Region.

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Die Sicherheit­svorkehrun­gen in Jerusalem wurden vor Trumps Rede noch einmal verschärft.

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