Palästinenser sprechen von „Kriegserklärung“
Arabische Welt warnt USA vor Konsequenzen – Hamas ruft zu Aufstand auf
„Das ist der Todeskuss für die Zweistaatenlösung“, wetterte Manuel Hassassian, Vertreter der Palästinenser in London, am Mittwoch in einem BBC-Interview. Und: Die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die USA würde einer „Kriegserklärung“gleichkommen.
Drastische Töne kamen nur wenige Stunden später auch von Ismail Haniyeh, Chef der bisher im Gazastreifen herrschenden Hamas. Er sprach von „furchtbaren Veränderungen“und rief zu einem neuen Palästinenseraufstand auf. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas solle das Ende des Friedensprozesses mit Israel erklären, denn: „Jerusalem und Palästina werden arabisch und islamisch bleiben.“
Auch auf der Ebene der arabischen Staatsmänner gab es ausschließlich Warnungen an die Adresse Washingtons. Ägyptens Präsident Abdelfattah al-Sisi – der als einer von wenigen von Donald Trump vorab telefonisch von dessen Plänen mit der US-Botschaft in Israel informiert worden war – warnte den US-Präsidenten: Er solle keine Schritte unternehmen, die die Situation in der Region noch komplizierter machen und die Chance auf Frieden unterminieren würden. Eine Eskalation würde auch die fragile Verständigung zwischen Hamas und Fatah gefährden. Nicht nur die Muslime, sondern auch der koptische Papst warnte vor gefährlichen Konsequenzen. Wie groß die Wut ist, wird sich am Freitag zeigen, dem traditionellen Wochentag für solche Proteste.
Die Arabische Liga (AL) rief unterdessen die USA auf, alle UnoResolutionen einzuhalten – insbesondere jene, die jede Veränderung des religiösen, historischen und demografischen Status von Ostjerusalem verbieten. Ein Ministertreffen ist für Samstag geplant. Amr Mussa, ehemaliger AL-Chef, vertrat in einem Interview die Meinung, dass man, wenn die Zweistaatenlösung tot sei, die Option eines Staates mit gleichberechtigten Bürgern forcieren müsse.
„Gefährliche Auswirkungen“
Auch der saudi-arabische König Salman war auf Trumps Anrufliste. Er warnte, die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem vor einer permanenten Lösung werde die Gefühle aller Muslime entflammen und die Spannungen erhöhen.
„Gefährliche Auswirkungen“erwartet auch Jordaniens König Abdullah, der die offizielle Aufsicht über die islamischen Stätten in Jerusalem innehat.
Die Türkei lädt die 56 Staaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit am nächsten Mittwoch zu einem Sondergipfel. Man müsse das Eisen schmieden, solange es heiß sei, hieß es aus dem Umfeld von Präsident Tayyip Erdogan, der bereits am Vortag gedroht hatte: „Herr Trump, Jerusalem ist die rote Linie für Muslime!“
Doch auch die türkische Opposition stand nicht zurück in ihrer Kritik an den USA: In Nahost werde einem Krieg der Boden bereitet, stellte Engin Özkoç, der Fraktionschef der sozialdemokratischen CHP, fest.
Erdogan erwartete am Mittwoch den schon länger geplanten Besuch des jordanischen Königs Abdullah in Ankara. Ein Aufruf Erdogans an die muslimische Welt in Form eines Briefs werde veröffentlicht, so sein Sprecher.
Für Erdogan hätte die Krise um die Jerusalem-Anerkennung eigentlich nicht besser kommen können: Seit Tagen muss sich der autoritär regierende Staatschef mit kompromittierenden Aussagen in einem Prozess in New York über Schmiergeldzahlungen an türkische Regierungsmitglieder und den Bruch von Iran-Sanktionen der USA plagen. Nun bescherte ihm Trump einen willkommenen politischen Themenwechsel. pWeitere Reaktionen: dStd.at/Nahost