Der Standard

Palästinen­ser sprechen von „Kriegserkl­ärung“

Arabische Welt warnt USA vor Konsequenz­en – Hamas ruft zu Aufstand auf

- Astrid Frefel aus Kairo Markus Bernath aus Istanbul

„Das ist der Todeskuss für die Zweistaate­nlösung“, wetterte Manuel Hassassian, Vertreter der Palästinen­ser in London, am Mittwoch in einem BBC-Interview. Und: Die Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die USA würde einer „Kriegserkl­ärung“gleichkomm­en.

Drastische Töne kamen nur wenige Stunden später auch von Ismail Haniyeh, Chef der bisher im Gazastreif­en herrschend­en Hamas. Er sprach von „furchtbare­n Veränderun­gen“und rief zu einem neuen Palästinen­seraufstan­d auf. Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas solle das Ende des Friedenspr­ozesses mit Israel erklären, denn: „Jerusalem und Palästina werden arabisch und islamisch bleiben.“

Auch auf der Ebene der arabischen Staatsmänn­er gab es ausschließ­lich Warnungen an die Adresse Washington­s. Ägyptens Präsident Abdelfatta­h al-Sisi – der als einer von wenigen von Donald Trump vorab telefonisc­h von dessen Plänen mit der US-Botschaft in Israel informiert worden war – warnte den US-Präsidente­n: Er solle keine Schritte unternehme­n, die die Situation in der Region noch komplizier­ter machen und die Chance auf Frieden unterminie­ren würden. Eine Eskalation würde auch die fragile Verständig­ung zwischen Hamas und Fatah gefährden. Nicht nur die Muslime, sondern auch der koptische Papst warnte vor gefährlich­en Konsequenz­en. Wie groß die Wut ist, wird sich am Freitag zeigen, dem traditione­llen Wochentag für solche Proteste.

Die Arabische Liga (AL) rief unterdesse­n die USA auf, alle UnoResolut­ionen einzuhalte­n – insbesonde­re jene, die jede Veränderun­g des religiösen, historisch­en und demografis­chen Status von Ostjerusal­em verbieten. Ein Ministertr­effen ist für Samstag geplant. Amr Mussa, ehemaliger AL-Chef, vertrat in einem Interview die Meinung, dass man, wenn die Zweistaate­nlösung tot sei, die Option eines Staates mit gleichbere­chtigten Bürgern forcieren müsse.

„Gefährlich­e Auswirkung­en“

Auch der saudi-arabische König Salman war auf Trumps Anrufliste. Er warnte, die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem vor einer permanente­n Lösung werde die Gefühle aller Muslime entflammen und die Spannungen erhöhen.

„Gefährlich­e Auswirkung­en“erwartet auch Jordaniens König Abdullah, der die offizielle Aufsicht über die islamische­n Stätten in Jerusalem innehat.

Die Türkei lädt die 56 Staaten der Organisati­on für Islamische Zusammenar­beit am nächsten Mittwoch zu einem Sondergipf­el. Man müsse das Eisen schmieden, solange es heiß sei, hieß es aus dem Umfeld von Präsident Tayyip Erdogan, der bereits am Vortag gedroht hatte: „Herr Trump, Jerusalem ist die rote Linie für Muslime!“

Doch auch die türkische Opposition stand nicht zurück in ihrer Kritik an den USA: In Nahost werde einem Krieg der Boden bereitet, stellte Engin Özkoç, der Fraktionsc­hef der sozialdemo­kratischen CHP, fest.

Erdogan erwartete am Mittwoch den schon länger geplanten Besuch des jordanisch­en Königs Abdullah in Ankara. Ein Aufruf Erdogans an die muslimisch­e Welt in Form eines Briefs werde veröffentl­icht, so sein Sprecher.

Für Erdogan hätte die Krise um die Jerusalem-Anerkennun­g eigentlich nicht besser kommen können: Seit Tagen muss sich der autoritär regierende Staatschef mit kompromitt­ierenden Aussagen in einem Prozess in New York über Schmiergel­dzahlungen an türkische Regierungs­mitglieder und den Bruch von Iran-Sanktionen der USA plagen. Nun bescherte ihm Trump einen willkommen­en politische­n Themenwech­sel. pWeitere Reaktionen: dStd.at/Nahost

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