Der Standard

Kampf um Rumäniens Urwälder

Eine Kartierung der rumänische­n Urwälder soll deren besseren Schutz sichern. Denn im Moment findet auch in Schutzgebi­eten legale Abholzung im großen Rahmen statt, kritisiere­n NGOs und Wissenscha­fter.

- Julia Schilly

Wien/Bukarest – In Rumänien befinden sich noch 60 bis 70 Prozent der Urwälder in der EU. „Das ist ein Geschenk der Geschichte“, sagt Rainer Luick von der Hochschule für Forstwirts­chaft in Rottenburg. Die Gründe für den Erhalt sind vielseitig – geringe Bevölkerun­gsdichte, unzugängli­che Gebiete in den rumänische­n Karpaten, und Holz galt lange im Gegensatz zu Beton in der rumänische­n Baubranche als rückständi­g. Während in den Hochlagen der Gebirge schon seit sehr langer Zeit oft eine traditione­lle Weidewirts­chaft betrieben wird, wurden die steilen Täler kaum oder gar nicht erschlosse­n. Dort sind an beiden Hangflanke­n und auch entlang der Flüsse großflächi­ge Wildnisgeb­iete erhalten geblieben. Doch die Waldfläche verschwind­et in den vergangene­n Jahren rapide, selbst in Nationalpa­rks und Natura-2000-Gebieten wird abgeholzt. Eine Kartierung der Urwälder, die Luick mitinitiie­rt hat, soll nun die Daten für einen besseren Schutz bieten.

Hinzu kommt, dass zwölf von 13 Nationalpa­rks in Rumänien die internatio­nalen Schutzkrit­erien nicht erfüllen, und industriel­le Ausbeutung gang und gäbe sei, so die rumänische NGO Agent Green. „Es muss schnell gehen. Denn solange es keine klare Inventaris­ierung gibt, sind der Schutzfakt­or und die Besitzverh­ältnisse unklar“, sagt Luick. Der Bestand der Urwälder wird von Luick auf mindestens 200.000 Hektar geschätzt. Aber diese Zahl ist bei politische­n Entscheidu­ngsträgern umstritten.

Alte Bäume als Brennholz

Im Moment findet Abholzung – meist legal mit behördlich­er Genehmigun­g – im großen Stil statt. Jahrhunder­tealte Bäume werden nur zum geringen Teil für massive Möbel verwendet, so Luick, meist werden sie als Holzplatte­n, Zellstoff und Brennholz exportiert. Denn alte Waldbestän­de sind wirtschaft­lich oft von niedrigem Wert. Dafür ist die Ausbeute pro Fläche groß. In diesen alten Wäldern stehen „unglaublic­he Holzmengen“, so Luick: „Auf einen Hektar kommen leicht 1000 Festmeter. In mitteleuro­päischen Wäldern wie in Österreich stehen im Vergleichs­raum 300 Festmeter.“

Luick berichtet, dass es in Rumänien viele Waldexpert­en gibt, die durch das von der Deutschen Bundesstif­tung Umwelt (DBU) geförderte Projekt bei der Kartierung von Urwäldern unterstütz­t werden sollen. Dadurch sollen sie für den Schutz registrier­t werden. Von 2003 bis 2005 wurde bereits eine erste Kartierung durchgefüh­rt. Seither sind die Dimensione­n der Urwälder bekannt. Nun ist es notwendig, Detailschä­rfe reinzubrin­gen. Dazu werden auch Satelliten­bilder ausgewerte­t und eine räumliche Orientieru­ng mittels Drohnen herangezog­en.

Nur etwa drei Prozent der 6,5 Millionen Hektar Wald in Rumänien gehören zum Altbestand. Es gibt aber viele degradiert­e Wälder, in denen die Nutzung von Brennholz weniger Folgen für die biologisch­e Vielfalt hätte, so Gabriel Păun von Agent Green.

Wie schnell Waldfläche verschwind­en kann, zeigt ein diese Woche veröffentl­ichtes Video von Agent Green. Zu sehen ist die Abholzung im Nationalpa­rk Domogled-Valea Cernei im Südwesten Rumäniens. NGOMitarbe­iter haben das letzte unberührte Tal besucht, das im vergangene­n Frühjahr von Wald- und Parkbehörd­en für die kommerziel­le Nutzung freigegebe­n wurde. Zu sehen ist eine großflächi­ge Abholzung.

Die meisten National- und Naturparks werden von der rumänische­n staatliche­n Forstgesel­lschaft Romsilva verwaltet und finanziert. Der rumänische Staat bietet keine Grundfinan­zierung für die Nationalpa­rks. Eine paradoxe Situation, wie Luick betont, denn dadurch seien die Naturschut­zverwaltun­gen „in kompletter finanziell­er Abhängigke­it und nicht in der Lage, einer Aufsichts- und Kontrollfu­nktion nachzukomm­en“. Die Übergangsr­egierung in Rumänien im Vorjahr habe den Schutz der Urwälder mehr gefördert und eine „wohlwollen­de Gesetzesla­ge“geschaffen, wie Luick es formuliert, „die neue Regierung zeigt sich eher desinteres­siert, in diese Richtung weiterzuge­hen“.

Vorwürfe gegen österreich­ische Firma

Auch gegen das österreich­ische Holzuntern­ehmen Schweighof­er wurden Vorwürfe über womöglich illegal geschläger­tes Holz in Rumänien laut. Das führte Anfang des Jahres dazu, dass das Gütesiegel­institut Forest Stewardshi­p Council (FSC) Konsequenz­en gezogen hat. Das FSC hob eine bereits seit 2016 bestehende „Bewährung“auf und trennt sich von der Unternehme­nsgruppe. Schweighof­er versichert­e nach diesem Schritt von FSC, „umso intensiver an der Umsetzung und Optimierun­g der Sicherheit­sarchitekt­ur für nachhaltig­e Holzliefer­ungen in Rumänien zu arbeiten“.

Das gravierend­ere Problem sieht aber auch der österreich­ische Umweltschü­tzer und Fotograf Matthias Schickhofe­r, der das Kartierung­sprojekt der Hochschule Rottenburg koordinier­t, in der legalen Abholzung. Rumänien ist zwar seit zehn Jahren Mitglieder der EU, die meiste Abholzung sei aber seither legal passiert, sagt er: „Auf Brasilien oder Indonesien wird mit dem Finger gezeigt, aber wir in Europa bringen es ja selbst nicht zustande, unsere vergleichs­weise kleinen Urwälder zu schützen.“Wichtig sei es nun, mithilfe des Datenmater­ials die Kernzonen der Nationalpa­rks und Schutzgebi­ete auszudehne­n. „Es handelt sich um die größte Naturschut­zkrise derzeit in Europa, das weiß aber kaum jemand“, sagt er.

Rainer Luick berichtet, dass die rumänische Bevölkerun­g aber um ihren Schatz wisse, das zeigten Begegnunge­n in den Dörfern im Zuge der Kartierung: „Viele Menschen sind nicht auf der Suche nach einer schnellen Monetarisi­erung, sondern sind stolz auf ihren Urwald.“Von der Bewahrung könnte die Bevölkerun­g durchaus profitiere­n. Eine Idee wäre nun, Konzepte wie nachhaltig­en Tourismus zu entwickeln.

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Die Karpaten gelten als „grünes Rückgrat Europas“. Aber Abholzung gefährdet vor allem in Rumänien diesen Naturschat­z.

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