Der Standard

Die Weihnachts­fanatiker

- Mehr Infos unter derStandar­d.at/Adventkale­nder

Als ich klein war, dauerte Weihnachte­n bei uns deutlich länger als bei anderen. Mit dem Beginn der Adventzeit stellte meine Mutter den vollständi­g mit bunten Kugeln, Sternen und Lichterket­ten geschmückt­en Baum auf. Wenn es der Kalender gut mit uns Kindern meinte, konnte das auch schon im November der Fall sein. Wir kamen in den 1970er-Jahren aus Kanada nach Österreich. Meine Mutter, eine Kanadierin, war es so gewohnt, mein Vater ein gebürtiger Grazer, wollte seiner unter Heimweh leidenden Frau und uns Kindern die längere währende Freude auch nicht verderben und schwieg.

Nicht so Volksschul­freunde, die uns besuchten und fast erschraken ob des gigantisch­en Tannenbaum­s, der schon Wo- chen vor dem Heiligen Abend im Wohnzimmer stand. „Weiß deine Mama nicht, wann Weihnachte­n ist?“, fragte ein Freund.

Echte Kerzen am Baum kamen nicht infrage. Lichterket­ten, um deren Glühbirnch­en sich kleine weiße Wolken aus Engelshaar schmiegten, erleuchtet­en wochenlang abends nicht nur das Wohnzimmer. Da der Christbaum im Erker des Zimmers stand, strahlte er weithin sichtbar die Straße rauf und runter. Die Nachbarn hielten uns sicherlich für Weihnachts­fanatiker.

Mittlerwei­le stellen auch wir Christbäum­e frühestens am 23. Dezember auf. Anders als damals leuchten dafür im öffentlich­en Raum teilweise schon im Oktober Lichterbäu­me. So gleicht sich alles wieder aus.

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