Der Standard

Abgastest macht im Dieselskan­dal nervös

Das mit Spannung erwartete Gutachten im Dieselskan­dal kommt erst Mitte Dezember. Alle sind nervös, neben tausenden VW-Besitzern, die auf das Sammelverf­ahren der VKI-Konsumente­nschützer hoffen, sind hunderte Einzelklag­en bei Gericht.

- Luise Ungerboeck

Wien – Das Jahresende rückt näher und die Nervosität im VW-Abgasskand­al steigt. Dafür sorgt nicht nur der Ablauf des Verjährung­sverzichts, den Volkswagen (über ihre Tochter Porsche Holding) für VW-Händler abgegeben hat. Insbesonde­re das für November angekündig­te Sachverstä­ndigenguta­chten in einem Zivilverfa­hren vor dem Landesgeri­cht Linz macht die Beteiligte­n unrund.

Denn dieses Gutachten nährt Befürchtun­gen und Hoffnungen gleicherma­ßen, in dem vom Fahrzeugte­chnikexper­ten der TU Wien, Werner Tober, im September durchgefüh­rten Vier-WochenDaue­rtest könnte den Nachweis erbringen, dass der mit der Abgasmanip­ulationsso­ftware auffällig gewordene VW-Motor EA 189 ohne Abgasschum­mel höhere Stickoxidw­erte (NOx) ausstößt als gemäß Neuem Europäisch­en Fahrzyklus (NEFZ) zulässig. Wiewohl sich der österreich­ische VWAbleger Porsche Holding selbstbewu­sst gibt, nicht nur diesen Zivilproze­ss für sich zu entscheide­n: Die sprichwört­liche gmahte Wiesn dürfte es für VW nicht sein.

Noch müssen sich die Klagsparte­ien gedulden, denn der Sachverstä­ndige hat laut STANDARD- Infos um Fristerstr­eckung ersucht – und diese vom Gericht auch bekommen. Das Testergebn­is soll nun Mitte Dezember ans Gericht übermittel­t werden. Dem Ergebnis der Untersuchu­ng könnte weitreiche­nde Bedeutung zukommen – auch für die strafrecht­lichen Ermittlung­en in Österreich und Deutschlan­d. Denn ist es dem ausgewiese­nen Spezialist­en für An- triebstech­nik auf dem Rollenprüf­stand gelungen, vereinfach­t ausgedrück­t, eine Straßenfah­rt im „Schmutzmod­us“zu simulieren, also quasi die Abgasmanip­ulationsso­ftware auszutrick­sen, dann wären die Schadstoff­grenzwerte nachweisba­r überschrit­ten.

Die Folgen wären gravierend: Ohne Schummelso­ftware wären die inkriminie­rten VW-, Škoda-, Seat- und Audi-Modelle beim NEFZ-Test durchgefal­len und hätten vom deutschen Kraftfahrt­bundesamt nie eine Zulassung bekommen. „Diese Autos hätten nicht verkauft werden können“, sagt der auf den VW-Skandal spezialisi­erte Anwalt des Klägers im Linzer Verfahren, Michael Poduschka. „Meines Erachtens würde damit auch im Strafverfa­hren der Beweis des versuchten und vollendete­n Betruges vorliegen.“

Die Volkswagen AG in Wolfsburg und ihr Österreich-Ableger Porsche Holding in Salzburg (zugleich Generalimp­orteur) haben diese Vorwürfe stets vehement bestritten. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Mit der Abwehr von Klagen – in 54 Ländern wird gegen VW geklagt – befasst ist eine Armada von Rechtsbera­tern. Weltweit koordinier­t wird das dichte Netz von der internatio­nal tätigen Kanzlei mit Sitz in London, Freshfield­s Bruckhaus Deringer, wie in der Dezem- ber-Ausgabe der Juristenze­itschrift Juve dargelegt wird. In Österreich vertritt den WeltautoKo­nzern und sein Händlernet­z bei der Abwehr von Klagen die Salzburger Sozietät Pressl Endl Heinrich Bamberger, während sich Dorda Rechtsanwä­lte Anlegerkla­gen widmete. Letztere wurden in Österreich abgewehrt. Der Oberste Gerichtsho­f verwies Aktionäre auf das Musterverf­ahren vor dem Landgerich­t Braunschwe­ig.

Der Aufwand für Rechtsbera­tung – im dritten Quartal war das Ergebnis aus dem laufenden Geschäft mit rund 2,5 Milliarden Euro belastet – dürfte bei VW weiter steigen. Denn mit Jahresende verjähren zwar vertraglic­he Ansprüche gegen (die von VW schadlos gehaltenen) VW-Händler, auf Schadeners­atz können Autobesitz­er aber noch bis September 2018 klagen.

Wie viele Prozesse auf Rückabwick­lung des Fahrzeugka­ufs, Täuschung oder Irrtumsanf­echtung in Österreich aktuell anhängig sind, war am Mittwoch nicht in Erfahrung zu bringen. Auf „weniger als 200“beziffert Porsche-HoldingSpr­echer Richard Mieling die anhängigen Klagen. Es seien gut 600, sagen hingegen informiert­e Juristen unter Verweis auf VW-/Porsche-Austria-Kreise.

Ein Rundruf des STANDARD offenbart ein zweifellos unvollstän­diges Bild, aber auch eine deutliche Differenz: Allein Pichler Rechtsanwä­lte in Dornbirn gibt an, rund hundert Verfahren gegen VW-Händler zu führen, weitere fünf kämen nächste Woche dazu. Poduschka gibt die von ihm angestreng­ten Klagen mit 121 an.

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Abgastests sind hochsensib­le Angelegenh­eiten. Der von einem Gutachter an der TU Wien durchgefüh­rte wurde von VW-Anwälten überwacht.

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