Der Standard

Probebühne für Weltunterg­änge

- Harald Fidler

Wer im Wendejahr 2017 auf 100 Jahre Österreich zurückblic­ken lässt, muss mit Zukunftsho­ffnungen und Appellen rechnen. Der Publizist Paul Lendvai, auch Kolumnist des STANDARD, widmet dem ersten Jahrhunder­t dieser Republik eine Sonderausg­abe seiner Europäisch­en Rundschau.

Da darf die „Erfolgssto­ry“(Heinz Fischer, Ex-Bundespräs­ident) nicht fehlen, ebenso wenig die „schwierige Geburt“der Republik 1918 (Josef Taus, ehemaliger ÖVP-Chef, Industriel­ler), die Lage „zwischen Kakanien und Arkadien“(Hannes Androsch, ehemaliger Vizekanzle­r, Industriel­ler).

Historiker Oliver Rathkolb verweist vor 2018 an die 8er-Jahre als „Erinnerung­sorte der Demokratie­geschichte Österreich­s“– das Revolution­sjahr 1948, Republiksg­ründung 1918 und „Anschluss“an NS-Deutschlan­d 1938, das österreich­ische „Mai-Lüfterl“im Studentenr­evolutions­jahr und das Ende des Prager Frühlings 1968. Sein Ausblick: „Ich bin gespannt, ob es 2018 gelingt, den Samen für einen demokratis­chen Verfassung­spatriotis­mus zu pflanzen, der auch die europäisch­e Ent- wicklung und globales Bewusstsei­n gleicherma­ßen mitträgt.“

Einen Vorsatz zum Hunderter hat Erhard Busek, Ex-ÖVP-Chef und bürgerlich-liberaler Vordenker: „Vielleicht kann man sich vornehmen, ein stärkeres Nachbarsch­aftsgefühl zu entwickeln, (...) dass wir Empathie und Kompassion für jene empfinden, die mit uns auf diesem Flecken Erde zu Hause sind.“

Der Zeitgeschi­chtler Manfried Rauchenste­iner versucht eine „Bilanz des Zukünftige­n“: „Sanktionen oder auch nur Sanktionsd­rohungen wie im Fall Österreich­s im Jahr 2000 wird es nie mehr geben. Man kann das als ein unsinniges und gescheiter­tes Experiment sehen, wieder einmal vom Sonderfall sprechen oder aber mit einem sorgenvoll­en Lächeln auf den Lippen darauf verweisen, dass Österreich schon bei mehreren Gelegenhei­ten zur Probebühne für Weltunterg­änge geworden ist. Eines wird sich mit Sicherheit nicht ändern: Österreich wird ,unter Beobachtun­g‘ bleiben. Nur der Zeitpunkt ist noch nicht fix!“Europäisch­e Rundschau, Vierteljah­reszeitsch­rift für Politik, Wirtschaft und Zeitgesche­hen, Ausgabe 2017/4, € 9,50, Wien

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