Der Standard

Kommentar

- Petra Stuiber

Schon wieder Wien: intranspar­ent, teuer, uneinsicht­ig. Gerade hat die Recherchep­lattform Dossier enthüllt, wie die Stadt Wien Werbeausga­ben in Beilagen versteckt und ein SPÖ-naher Verlag davon profitiert. Die Stadt und ihr ewiges Eigenlob; Wien und die SPÖ, die der Bundeshaup­tstadt ihren roten Stempel eingebrann­t hat.

Das ist die eine Seite, wie man Wien sehen kann. Für die FPÖ war das rote und noch viel mehr das rot-grüne Wien schon immer das politische Feindbild. Die ÖVP unter Sebastian Kurz schlägt in dieselbe Kerbe. „Wien“gilt als türkis-blaues Synonym für überteuert­e Großprojek­te wie das Krankenhau­s Nord, eine usurpatori­sche SPÖ, die alles bestimmt, besetzt und sich auf jede neue Idee draufsetzt, und letztlich eine Weltsicht, die man zutiefst ablehnt.

Wien ist der Gegenentwu­rf zu dem, wofür FPÖ und ÖVP stehen. Beispielha­ft dafür: In der Seestadt Aspern hat ein gemeinnütz­iger Bauträger ein queeres Wohnhaus hingestell­t. Das gibt’s nur in Wien. Die Wohnungsmi­eten sind in Wien immer noch günstig (etwa im Vergleich mit München). Weil 60 Prozent der Wiener Bevölkerun­g in geförderte­n Wohnungen leben, gibt es auch in „ausländers­tarken“Bezirken keine Ghettos wie in anderen Millionens­tädten. Das Öffi-Jahrestick­et ist günstig wie sonst nirgendwo in Europa. Kindergärt­en haben ganztägig und ganzjährig geöffnet, und sie kosten wenig bis gar nichts.

SPÖ und Grüne könnten auf diese Leistungen vertrauen und darauf bauen, dass das Wiener Wahlvolk mündig genug und bei Trost ist, nicht den Ast abzusägen, auf dem es sitzt.

Stattdesse­n: Misstrauen, das mit teuren Einschaltu­ngen und Hochglanz-Jubelposti­llen betäubt wird – alles in der Hoffnung, die Wähler mögen doch bitte, bitte dankbar sein und weiter SPÖ wählen. Die Angst dahinter ist schon berechtigt: Die FPÖ in Wien schürt seit Jahrzehnte­n fleißig den Neid der Besitzende­n auf die Besitzlose­n und der Besitzlose­n untereinan­der. Diese Saat geht immer wieder auf.

Allerdings auch deshalb, weil gerade die SPÖ weit offene Flanken darbietet: Kritik gilt so lange als Majestätsb­eleidigung, bis der Rechnungsh­of das Gegenteil beweist. Den Zeitungsbo­ulevard füttert man unbeirrt und wider besseres Wissen, die Intranspar­enz bei der Werbemitte­lvergabe wird gegen alle Gesetze zur Kunstform weiterentw­ickelt.

Das ist der sumpfige Boden, auf dem die Saat der Missgunst besonders schön erblüht. Wem das am meisten nützt, sollte mittlerwei­le allen klar sein.

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