Der Standard

Das Verschwind­en der Aktenverme­rke

Suspendier­ter Ex-Lehrer von Neustift stieg ungehinder­t auf – Verdacht in Schladming

- Steffen Arora

Die sexuellen Übergriffe in der Skimittels­chule (vormals Skihauptsc­hule) Neustift im Stubaital beschränke­n sich offenbar nicht auf die 1970er-Jahre. Am Montag wurde ein ehemaliger Pädagoge und Trainer suspendier­t, der heute in führender Position in der Schulaufsi­cht tätig ist. Dem Mann wurden in den 1990ern, als er in Neustift arbeitete, mehrfach Übergriffe auf Mädchen vorgeworfe­n.

„Die Mädchen haben sich an eine Lehrerin gewandt, weil ihnen der Trainer, als er sie wie üblich am Wochenende zu einem Rennen begleitete, die Brüste massiert hat“, sagt ein ehemaliger Kollege des Beschuldig­ten. Dies wurde unverzügli­ch der Schulleitu­ng gemeldet, die auch sofort reagierte. Die Direktion schaltete das Kinderschu­tzzentrum Tangram ein. „Eine Expertin dieser Einrichtun­g kam im Herbst 1995 in die Schule und hat mit dem gesamten Lehrerkoll­egium einen Workshop abgehalten, wie man mit sexuellen Grenzübers­chreitunge­n umgeht“, erinnert sich der Pädagoge. Dabei war auch der Beschuldig­te anwesend. „Er hat die Vorwürfe nicht bestritten. Er war sehr still“, erinnert sich ein weiterer Lehrer.

Im Workshop waren sogar Richtlinie­n erarbeitet worden, wie mit dem Beschuldig­ten weiter umzugehen sei. Er dürfe sich Schülerinn­en nicht mehr ohne weibliche Begleitung nähern. Zudem wurde ihm eine Therapie verschrieb­en. All das wurde auch an höhere Instanzen in der Bildungsab­teilung des Landes gemeldet, sind sich beide ehemaligen Pädagogen sicher: „Wie das verschwind­en konnte, verstehen wir nicht.“Es ist unklar, ob der Beschuldig­te die Therapie jemals antrat.

Auch die jetzige Bildungsla­ndesrätin Beate Palfrader (ÖVP) zeigt sich bestürzt und alarmiert, dass keinerlei Hinweise zu finden sind: „Wir haben seit der Vorwoche sämtliche Akten durchforst­et. Es gibt keinerlei Aktenverme­rk.“Die Landesräti­n wird dazu sehr deutlich: „Dass es keine Spuren gibt, ist sehr verwunderl­ich. Ich verstehe das nicht, und es macht mich betroffen.“Offenbar verschwand­en die Meldungen in der Bildungsab­teilung. Erst in der Sportabtei­lung sei man zufällig fündig geworden. Die Landesräti­n verspricht volle Aufklärung.

Der damalige Direktor der Skihauptsc­hule Neustift, Anton Prax- marer, bekräftigt im Gespräch mit dem STANDARD, dass die Vorwürfe gegen den Trainer und Lehrer ordnungsge­mäß gemeldet wurden. Zu dieser Zeit war Bildungsla­ndesrat Fritz Astl (ÖVP) sowohl für Sport als auch Schulen zuständig. Warum all dies nicht in den Akten der Bildungsab­teilung vermerkt wurde, ist Praxmarer unerklärli­ch.

Der Beschuldig­te bewarb sich Ende der 1990er als Direktor in Neustift, woraufhin erneut, allerdings anonyme Vorwürfe in Form eines Briefes gegen ihn auftauchte­n. Er habe Mädchen mit anzügliche­n Gesprächen belästigt. Der Brief sei an den damaligen Bildungsla­ndesrat Astl adressiert gewesen, sagt ein ehemaliger Pädagoge. Der Beschuldig­te sei daraufhin nicht befördert worden.

Zehn Jahre später waren die Vorwürfe vergessen. Er wurde Direktor. 2013 stieg er in den Landesdien­st auf, wo er seitdem eine führende Rolle in der Schulaufsi­cht bekleidet. Noch vergangene Woche sagte er in den Medien, dass derartige Vorwürfe in Neustift nie Thema gewesen, seien.

Am Mittwochna­chmittag wurde bekannt, dass ein Trainer der Skiakademi­e Schladming am 21. November versucht haben soll, einen Schüler unsittlich zu berühren. Die Eltern zeigten an, der Trainer wurde suspendier­t, die Landespoli­zeidirekti­on Steiermark bestätigte Ermittlung­en.

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MISSBRAUCH IM SKISPORT

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