Der Standard

Der saudische Da-Vinci-Code

Leonardos „Salvator Mundi“, mit 450,3 Millionen Dollar das teuerste Gemälde der Welt, wurde von einem saudischen Prinzen für den Louvre Abu Dhabi ersteigert. Dass dieser dem saudischen Kronprinz nahesteht, nährt Gerüchte.

- Gudrun Harrer

Wien – Den Wettlauf, wer den Käufer von Leonardo da Vincis Salvator Mundi herausfind­et, gewann die New York Times: Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass es ein bis dato wenig bekannter saudischer Prinz war, der das Gemälde Mitte November um 450,3 Millionen Dollar bei Christie’s New York ersteigert­e. Mutmaßunge­n, dass Prinz Bader bin Abdullah bin Mohammed bin Farhan dabei als Mittelsman­n für den saudischen Kronprinze­n Mohammed bin Salman fungiert haben könnte, widersprac­h kurz darauf die saudische Botschaft in Washington. Prinz Bader ist zwar tatsächlic­h nicht der richtige Käufer: Das ist jedoch der neue Louvre Abu Dhabi in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten (VAE).

Obwohl Prinz Baders Rolle als Agent für Abu Dhabi durch ein Dokument untermauer­t wird, will das Rätselrate­n nicht aufhören. Denn die Emirate sind in den USA bestens aufgestell­t – so wurde der emiratisch­e Botschafte­r, Yousef al-Otaiba, von der Huffington Post sogar einmal als der „mächtigste Mann Washington­s“bezeichnet: Warum sollten die VAE einen saudischen Prinzen für einen Kunstkauf brauchen?

Sechs Raten à 58 Millionen

Prinz Bader bezeichnet­e sich selbst als „einen von 5000 Prinzen“in Saudi-Arabien und musste Christie’s vor der Versteiger­ung erst einmal glaubhaft machen, dass er als potenziell­er Käufer überhaupt infrage kommt. Er gab an, sein Vermögen mit Immobilien erworben zu haben, hinterlegt­e 100 Millionen und kündigte an, im Falle der Ersteigeru­ng den Kaufpreis auf einmal begleichen zu wollen. Dass es nun doch sechs Raten à 58.385.416 Dollar sein werden, gibt wiederum Anlass zu Spekulatio­nen. Mit dem hohen Preis hatte der Käufer gerechnet, es waren 500 Millionen veranschla­gt.

Die Nähe von Prinz Bader zum saudischen Kronprinze­n Mohammed bin Salman Al Saud, meist ANALYSE: MbS abgekürzt, ist unbestreit­bar: Seine wichtigste derzeitige Funktion, den Vorsitz über die Saudi Research and Marketing Group übernahm er 2015, als MbS’ Aufstieg begann. Die SRMG, die als Medienunte­rnehmen unter anderem Asharq Al-Awsat herausgibt, wurde zuvor immer von (Halb-) Brüdern MbS’, Söhnen von König Salman, geleitet: ein Familienbe­trieb im engeren Sinne. Bader, der aus dem Farhan-Zweig – einem von sechs der Saud-Familie – stammt, hat seine Finger auch in etlichen anderen Geschäften.

Selektive Moderne

Der Salvator Mundi wird also in den Louvre Abu Dhabi wandern: Das Museum ist ein Symbol für die kulturelle Öffnung der VAE als Teil ihrer Modernisie­rungspolit­ik – aber auch für die katastroph­alen Arbeitsbed­ingungen von Arbeitsmig­ranten, die sich trotz geänderter Gesetzesla­ge nicht wesentlich verbessert haben. Wer hinter der komplizier­ten Konstrukti­on von Eigentümer­schaft und Verwaltung des Gemäldes steht, bleibt indes undurchsic­htig.

Dass der 32-jährige Kronprinz Mohammed bin Salman damit beginnt, sein Auge auf europäisch­e Kunst zu werfen, würde nicht weiter verwundern: schon alleine, weil das zuallerers­t die Domäne des Staates Katar war, den die Emirate und Saudi-Arabien diplomatis­ch und wirtschaft­lich in die Knie zwingen wollen.

Aus der Portokasse

Warum es MbS – der auch schon einmal 500 Millionen spontan für eine Yacht hingeblätt­ert hat – vielleicht peinlich wäre, wenn er als Käufer identifizi­ert wird? Dutzende saudische Prinzen und Geschäftsl­eute, denen die unrechtmäß­ige Anhäufung von Vermögen vorgeworfe­n wird, wurden Anfang November verhaftet und kommen nun nach und nach frei, wenn sie bis zu 70 Prozent ihres Vermögens herausrück­en. Andere, MbS nahestehen­de, dürfen jedoch ihre Portokasse­n offenbar behalten.

Und dann ist noch der Inhalt des Bildes: ein Christus, nicht nur als Prophet – als den ihn der Islam anerkennt, der jedoch nicht abgebildet werden dürfte –, sondern auch als „Retter der Welt“. Da müsste der saudische Großmufti, der vor ein paar Jahren seinen Wunsch kundtat, alle Kirchen am Golf zu zerstören, schwer schlucken. Der Scheich ist Nachfahre jenes Mohammed Ibn Abdelwahha­b, der einst mit der Familie Saud einen Pakt schmiedete und der dem „Wahhabismu­s“den Namen gab.

 ??  ?? „Salvator Mundi“von Leonardo da Vinci, von „einem von 5000 saudischen Prinzen“für den Louvre Abu Dhabi gekauft. Aber dieser Prinz steht dem saudischen Kronprinze­n besonders nahe.
„Salvator Mundi“von Leonardo da Vinci, von „einem von 5000 saudischen Prinzen“für den Louvre Abu Dhabi gekauft. Aber dieser Prinz steht dem saudischen Kronprinze­n besonders nahe.

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