Der Standard

Tirol: Aufarbeitu­ng stockt

Volksanwal­tschaftsbe­richt zu Wohneinric­htungen für Kinder: Sexualpäda­gogische Konzepte fehlen

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Die Aufarbeitu­ng der Missbrauch­sfälle verläuft langsam. Betroffene berichten, dass die Meldestell­e schwer erreichbar ist.

Wien – Berichte über Missstände in betreuten Jugendwohn­gemeinscha­ften in Niederöste­rreich und im Burgenland sorgen seit mehreren Tagen für Aufsehen. Just zu diesem Zeitpunkt hat die Volksanwal­tschaft einen fünf Jahre umfas- senden Sonderberi­cht zur Einhaltung der Rechte von Kindern und Jugendlich­en in solchen Einrichtun­gen präsentier­t. Darin geht es auch um junge Menschen in Haft, in Schulen für Kinder mit Behinderun­g und in der Psychiatri­e.

Zu den Wohneinric­htungen, in denen sich 2016 österreich­weit 8523 Minderjähr­ige befanden, heißt es, dass die Lebensbedi­ngungen sich zwar über die Jahrzehnte eindeutig gebessert hätten, trotzdem seien zuweilen „unangemess­ene, bis hin zu erniedrige­nde Sanktionss­ysteme“dokumentie­rt. So habe sich ein Minderjähr­iger in einer Einrichtun­g zur Strafe fast nackt in den Regen stellen müssen. In einer anderen WG habe man ein Kind in einem mit Duschgel getränkten Bett übernachte­n lassen.

Volksanwal­t Günther Kräuter verlangt für Kinderwohn­einrichtun­gen Gewaltpräv­ention, sexualpäda­gogische Konzepte als Bewilligun­gsvorausse­tzung, Vertrauens­personen, höhere Tagsätze sowie bundeseinh­eitliche Standards. So seien zum Beispiel die Gruppengrö­ßen in Wien mit bis zu acht Kindern beschränkt, im Burgenland gebe es Gruppen mit bis zu 16 jungen Menschen.

Die personelle Situation ist laut Bericht „alarmieren­d“: Zunehmend gebe es Probleme wegen nicht besetzter Dienststel­len und einer hohen Fluktuatio­n der Mitarbeite­r. Die strukturel­len Rahmenbedi­ngungen seien oft „geradezu förderlich für das Auftreten von sexueller Gewalt“. Manchmal habe Personal große Bedenken vor der Aufnahme eines Kindes geäußert, eine Verlegung sei aber erst erfolgt, als „unerwünsch­te sexuelle Handlungen“passiert waren.

Die Volksanwal­tschaft fordert zudem das Vorlegen eines sexualpäda­gogischen Konzepts als Voraussetz­ung für die Bewilligun­g einer Einrichtun­g. Oft gebe es bei den Mitarbeite­rn zwar ein Bewusstsei­n für das Thema, aber keine klaren Strategien und Verantwort­lichkeiten, um sexuelle Übergriffe zu vermeiden.

Neue Vorwürfe in NÖ

In jenem aktuellen Fall in Niederöste­rreich erzählten ehemalige Mitarbeite­r des Bundesverb­andes Therapeuti­sche Gemeinscha­ften (TG) und drei Jugendlich­e von Erniedrigu­ngen durch Betreuer. Wie Profil am Wochenende berichtete, sei es zudem zu „Selbstmord­versuchen, Sexualdeli­kten, Sachbeschä­digungen, Körperverl­etzungen und Diebstähle­n“und im Vorjahr zu insgesamt 33 Polizeiein­sätzen gekommen. Seitens der TG hieß es mehrmals, Vorwürfe zu Misshandlu­ngen seien unwahr.

Sozialland­esrat Franz Schnabl (SPÖ) ließ zur Untersuchu­ng eine Sonderkomm­ission einrichten, die Grünen forderten am Montag einen unabhängig­en U-Ausschuss, da der Geschäftsf­ührer des Trägers SPÖ-Mitglied ist. Dieser teilte am Montag mit, er habe seine SPÖ-Mitgliedsc­haft und sein Gemeindera­tsmandat ruhend gestellt. (spri)

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