Der Standard

Merkels steiniger Weg zur großen Koalition

Die SPD lässt sich bitten, die CDU drängt, auch inhaltlich gibt es einige Stolperste­ine. Und dennoch: In dieser Woche soll in Berlin eine neue GroKo auf den Weg gebracht werden.

- Birgit Baumann aus Berlin

Es gibt ein paar Begriffe, die hört man in der SPD seit Tagen immer wieder. „Ergebnisof­fen“werde man am Mittwoch in die Gespräche mit der Union über eine neue große Koalition gehen. Denn es gebe für ein weiteres schwarz-rotes Bündnis „keinen Automatism­us“. Und daher habe man auch überhaupt keine Eile. Es könne durchaus sein, dass man bis Mai verhandeln müsse, sagt der neue SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil.

In der Union kommt das nicht so gut an. Aber man weiß dort: Nach dem Jamaika-Aus braucht man die Sozialdemo­kraten, sonst wird das nie etwas mit einer neuen Regierung. Also mahnte Kanzlerin Merkel am Montag sanft, man möge doch bitte nun „zügig“die Gespräche führen. Aber was soll das überhaupt sein, dieses erste Treffen am Mittwochab­end? Merkel erklärt es so: „Es geht um die Sondierung, ob es zu Sondierung­en kommt.“

Anders als bei Jamaika will sich die Kanzlerin aber nicht mit so vielen Details aufhalten: „Es kann sehr viel kompakter sein.“Man kennt sich ja. Doch Stolperfal­len lauern, wie der Überblick zeigt, in allen wichtigen Themenfeld­ern:

QQGesundhe­it:

Hier hakt es ziemlich. Es ist eine alte Forderung der SPD: die Bürgervers­icherung für Gesundheit und Pflege. Es gäbe dann eine Versicheru­ng, in die alle ihre Beiträge einzahlen, die Leistungen wären auch für alle gleich. Doch nun, da sie gebraucht wird, will die SPD offenbar ernst machen. In der Partei heißt es, die Einführung einer Bürgervers­icherung sei eine „rote Linie“.

Doch die Union will beim jetzigen System und beim Nebeneinan­der von gesetzlich­en und privaten Krankenkas­sen bleiben. Letztere stehen Selbststän­digen und besser verdienend­en Angestellt­en offen. Argument der Union: Nur so könne man Wettbewerb zwischen den Kassen garantiere­n. Konter der SPD: Die Zweiklasse­nmedizin müsse abgeschaff­t werden.

Steuern/Haushalt:

In diesem Bereich gibt es immerhin eine Grundlage. Sowohl Union als auch SPD wollen Entlastung­en von 15 Milliarden Euro für Bezieher kleinerer und mittlerer Ein- kommen. Allerdings ist man sich an der Spitze der Einkommens­pyramide nicht einig. Die SPD möchte Topverdien­er und Bezieher großer Erbschafte­n zur Kasse bitten, die Union lehnt dies ab.

Apropos Steuern: Zwar ist Wolfgang Schäuble ( CDU) nicht mehr Finanzmini­ster, sondern Bundestags­präsident, aber seine Politik der „schwarzen Null“will die Union fortsetzen. Die SPD hingegen pocht auf mehr Investitio­nen (Infrastruk­tur, Schulen).

QQQPension­en:

Mehr Pensionsge­ld für Mütter – das ist eine Forderung der Union, vor allem der CSU. Sonst sieht die Union hier nicht viel Handlungsb­edarf. Sie will eine Kommission einberufen, die sich mit der Zukunft der Pensionen befasst.

Die SPD hat konkrete Vorstellun­gen. Sie will das Pensionsni­veau (Verhältnis zum Einkommen), das in den vergangene­n Jahren gesunken ist und nun bei 47,9 Prozent liegt, bis 2030 bei 48 Prozent stabilisie­ren und danach auf 50 Prozent anheben. Zudem wird die SPD auf eine Solidarren­te für Geringverd­iener bestehen. Diese stand schon im Koalitions­vertrag 2013, wurde aber nicht umgesetzt.

Migration:

Hier werden die Gespräche nicht einfacher als im Jamaika-Rahmen, da die SPD quasi die Position der Grünen einnimmt. Sie will den Familienna­chzug für Flüchtling­e mit eingeschrä­nktem Schutz ab März nicht mehr aussetzen, die Union schon. Zudem akzeptiert auch die SPD eine Obergrenze für Flüchtling­e – wie immer die CSU das nennen will – nicht.

Europa:

Die Vision der Vereinigte­n Staaten von Europa bis 2025, wie sie SPD-Chef Martin Schulz vorgeschla­gen hat, stoßen bei der Union auf Ablehnung. Fraktionsc­hef Volker Kauder (CDU) sieht in der Idee eher „eine Gefahr für die EU und für die Zustimmung der Bürger zu Europa“.

Die Union ist auch gegenüber Vorschläge­n des französisc­hen Staatspräs­identen Emmanuel Macron (gemeinsame­r Haushalt und Finanzmini­ster für Eurozone) skeptisch, die Sozialdemo­kraten sind durchaus offen.

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Angela Merkel blickt entscheide­nden Tagen entgegen. Am Mittwoch trifft sie sich mit CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Chef Martin Schulz. Am Freitag entscheide­t die SPD, ob man weiterspre­chen soll.

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