Der Standard

Start zur freiwillig­en EU-Verteidigu­ngsunion

Außenminis­ter beschließe­n 17 Programme zur verstärkte­n Kooperatio­n ihrer Heere, Österreich macht mit

- Thomas Mayer aus Brüssel

Für die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen sind die Pläne zur Bildung einer losen „Verteidigu­ngsunion“im Rahmen des EU-Gemeinscha­ftsrechts „einer der größten Fortschrit­te, den es seit Jahrzehnte­n gegeben hat“. Am Montag haben die EU-Außenminis­ter in Brüssel auch formell jene „verstärkte militärisc­he Zusammenar­beit“beschlosse­n, auf die sie sich beim informelle­n Treffen in Tallinn im September bereits geeinigt hatten.

Außenminis­ter Sebastian Kurz und Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil hatten damals seitens Österreich die Zusage einer Beteiligun­g gegeben. Ein echtes EU-Militärbün­dnis, wie Kritiker meinen – die Grünen in Österreich sehen laut Bundesspre­cher Werner Kogler die Neutralitä­t „aufs Spiel gesetzt“–, entsteht nicht.

Formell handelt es sich um eine „permanente strukturie­rte Kooperatio­n“(englische Kurzform: Pesco) zwischen nationalen Armeen. 25 von insgesamt 28 EUStaaten nehmen auf freiwillig­er Basis teil, auch alle anderen neutralen Staaten wie Irland, Schweden oder Finnland. Neben dem bündnisfre­ien Malta machen nur Großbritan­nien und Dänemark nicht mit. Letztere setzen ganz auf die Nato, haben in den EU-Verträgen auch sonst wichtige Ausnahmen, etwa bei der Euroteilna­hme.

Die Pesco verfolgt das Ziel, dass die europäisch­en Partner (von denen 22 gleichzeit­ig bei der Nato sind) langfristi­g unabhängig­er vom transatlan­tischen Militärbün­dnis, also von den USA, werden. Das Konzept sieht aber vor, dass die Europäer sich eng mit der Nato abstimmen – den „europäisch­en Pfeiler“stärken.

So wie bei der „Nato-Partnersch­aft für den Frieden“(Österreich ist dort seit den 1990er-Jahren beteiligt), wird es im Rahmen der Pesco zunächst zu einzelnen Projekten der Kooperatio­n im Frieden kommen. Die EU-Außenminis­ter haben vorläufig 17 solcher Kooperatio­nen beschlosse­n.

Das Bundesheer ist dabei

Österreich wird an vier Projekten beteiligen, angelehnt an den Stärken des Bundesheer­es. So soll es unter der Führung von Italien ein Programm zum gemeinsame­n Katastroph­enschutz geben, unter der Führung Griechenla­nds eines gegen Cyberbedro­hung. Deutschlan­d leitet ein Logistikpr­ogramm für militärisc­hen Transport und Trainings, an dem Wien partizipie­rt. Schließlic­h will Österreich seine Erfahrunge­n von Gebirgsjäg­ern in ein Pesco-Programm einbringen. Die politische Dominanz der Militärkoo­peration wird bei Frankreich und Deutschlan­d liegen. Nach dem EU-Austritt von Großbritan­nien 2019 werden sie die größten EU-Mächte sein. Allein Frankreich besitzt dann Atomwaffen, hat einen ständigen Sitz im UN-Sicherheit­srat. Bisher hat London die gemeinsame Sicherheit­s- und Verteidigu­ngspolitik (GSVP) stets verhindert.

Die 17 Projekte reichen von schnellen Eingreiftr­uppen über die Verbesseru­ng von Meeresund Grenzschut­z bis hin zur Einrichtun­g eines gemeinsame­n Kommandoze­ntrums in Brüssel und eines Medizinzen­trums. Von der Leyens Hinweis auf einen historisch­en Schritt ist insofern zutreffend, als Bemühungen für eine Militäruni­on beim Start der Gemeinscha­ft in den 1950er-Jahren vor sechs Jahrzehnte­n gescheiter­t waren – an Frankreich.

Die EU-Kommission begrüßte den Beschluss des Rates. Gemäß den Vorschläge­n von Präsident Jean-Claude Juncker soll nun als nächster Schritt der Aufbau eines gemeinsame­n Rüstungsfo­nds ab 2018 angegangen werden. Er soll Rüstungsin­dustrie und nationale Beschaffun­g harmonisie­ren.

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Foto: AP / Ronald Zak Österreich­s Soldaten üben bald auch im Rahmen von „Pesco“.

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