Der Standard

Topkoch als Road-Rage-Zeuge

Prozess um Handywurf nach Zwist im Verkehr

- Michael Möseneder

Wien – „Es soll da Unstimmigk­eiten über die Auslegung der Straßenver­kehrsordnu­ng gegeben haben“, fordert Richter Christian Böhm Hans S. auf, vom 24. Mai zu erzählen. Der 48-Jährige ist wegen Nötigung und Sachbeschä­digung angeklagt: Er soll eine Frau zum Anhalten gezwungen und ihr Handy gegen eine Wand geschleude­rt haben.

„Die Dame hat mir im Kreisverke­hr brutal den Vorrang genommen“, erzählt der Unbescholt­ene. „Bei der Ausfahrt hat sie wieder eine Vollbremsu­ng gemacht.“Seine Reaktion: „Ich habe ihr zweimal die Lichthupe gegeben. Dann habe ich sie überholt und gesehen, dass sie einparkt und gleich wieder ausparkt. Da habe ich mir gedacht, ich muss schauen, was los ist, vielleicht braucht sie Hilfe.“Er hielt also an und ging zum Auto.

„Ein bisschen aufgebrach­t“

„Schnell?“, will Böhm wissen. „Nein. Normal. Na ja, vielleicht war ich ein bisschen aufgebrach­t.“Auch im Saal agiert S. durchaus emotional. „Ich bin zu der Dame hin und habe auf die Scheibe geklopft. Sie ist dagesessen und hat stur nach vorne geschaut. Plötzlich ist das Telefon vor meinem Gesicht gewesen. Ich habe nur hin gegriffen.“Warum das Handy plötzlich über das Autodach auf den Grünstreif­en gerutscht sei, wie er behauptet, kann er sich nicht erklären. Er habe es aber si- cher nicht weggeworfe­n. Die Lenkerin, 43 Jahre alt, sagt, erstens habe S. sie schon davor angehalten. Beim zweiten Mal habe er die Tür aufgerisse­n und Beleidigun­gen in die Fahrgastze­lle gebrüllt. „Ich habe das Handy genommen, um die Polizei zu rufen.“S. habe ihr aber das Mobiltelef­on weggenomme­n und -geschleude­rt. Wohin habe sie nicht gesehen, sie habe den Eindruck gehabt, es sei eher ein Wegwerfen aus Ärger gewesen. Die Beschädigu­ngen seien jedenfalls minimal.

Licht in die Angelegenh­eit kann vielleicht Walter Eselböck bringen, der Spitzenkoc­h kam damals zufällig des Weges. „Wir wussten zuerst nicht, was los ist, plötzlich griff der Mann ins Auto und warf einen schwarzen Gegenstand gegen die Wand“, sagt der Zeuge. Böhm will wissen, wie der Wurf erfolgte, ob die Wand oder der Grünstreif­en das Ziel gewesen sei. Der Zeuge kann sich allerdings nicht mehr genau erinnern.

Dafür ist ihm das Telefonat mit der Polizei in Erinnerung geblieben. Er wollte in der unklaren Situation Hilfe holen. Die Reaktion des Gesprächsp­artners überrascht­e Eselböck: „Is a Bluat? Is irgendwer valetzt? Na? Daun kumma ned“, sei ihm beschieden worden.

Der Richter spricht S. schlussend­lich nicht rechtskräf­tig frei. Die Sachbeschä­digung will er aufgrund der widersprüc­hlichen Angaben und des geringen Schadens nicht verurteile­n, da er im Zweifel keine Beschädigu­ngsabsicht erkennt.

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