Der Standard

Neue Rechtslage schont Angeklagte

Änderungen im Strafrecht könnten allfällige Sanktionen gegen Buwog-Angeklagte reduzieren oder vereiteln. Besonders dramatisch wären die Neuerungen beim Teilkomple­x Terminal Tower.

- Andreas Schnauder

Wien – Eine eingehende Beschäftig­ung mit der Buwog-Anklage führt automatisc­h zu einem Streifzug durch die jüngere Geschichte des Strafrecht­s. Die Änderungen diverser Paragrafen – von Untreue bis Bestechung – haben der Korruption­sstaatsanw­altschaft ein paar zusätzlich­e Hausaufgab­en beschert. Denn der Verkauf der Gemeinnütz­ige Wohnungsge­sellschaft für Bundesbedi­enstete GmbH (Buwog) und allfällige Vergehen begannen schon 2002. Seither erfolgte Strafrecht­sänderunge­n sind von der Justiz zu berücksich­tigen.

Neuerungen gab es in der Periode etliche. Die haben unmittelba­re Auswirkung­en auf den Prozess, denn im Strafrecht gilt: Für die Angeklagte­n gilt immer die für sie vorteilhaf­tere Regelung. Dieses von Juristen Günstigkei­tsprinzip genannte Gebot könnte in der Buwog noch Staub aufwirbeln. Könnte, denn alle Angeklagte­n bestreiten die Vorwürfe, und es gilt selbstrede­nd die Unschuldsv­ermutung.

Theoretisc­h wäre es denkbar, dass die Gesetzesän­derungen eine Verurteilu­ng vereiteln oder das Strafausma­ß reduzieren. Ein Ansatzpunk­t ist hier die Untreue, bei der eine inhaltlich­e Entschärfu­ng und Abstriche bei den Sanktionen mit der 2016 in Kraft getretenen Strafrecht­sreform Hand in Hand gingen. Unter dem Titel Entkrimina­lisierung hat Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er (ÖVP), der in der Causa Buwog vorüberge- hend Angeklagte beraten hatte, das neue Regelwerk in Begutachtu­ng geschickt. Die Wirtschaft war nach scharfen Höchstgeri­chtsentsch­eidungen alarmiert: Manager begäben sich bei der Übernahme unternehme­rischen Risikos mit einem Fuß ins Kriminal, lautete der Tenor.

Daraufhin wurden u. a. die bei Untreue für Haftstrafe­n wesentlich­en Grenzen geändert. Seither muss der zugefügte Vermögenss­chaden 300.000 Euro überschrei­ten, damit ein Freiheitse­ntzug von bis zu zehn Jahren verhängt werden kann. Davor lag die Schwelle bei 50.000 Euro. Das könnte nun beim Terminal Tower (Bild rechts) relevant werden. Bei diesem Teilkomple­x im Fall Buwog geht es um die Einmietung von Finanz und Zoll in ein von Porr und Raiffeisen Landesbank Oberösterr­eich errichtete­s Bürohochha­us beim Linzer Bahnhof.

Über das schon bei der Buwog angewandte Schema von Mittelsmän­nern soll der damalige Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser auch beim Terminal Tower bestochen worden sein, damit die genannten Firmen ihre Immobilie gut vermieten können. So steht es sinngemäß in der Anklage.

Der springende Punkt: Als „Gegenleist­ung“für den Zuschlag an die Bauträger sollen 200.000 Euro an Provision geflossen sein. Sieben Angeklagte­n, darunter der nichtverha­ndlungsfäh­ige frühere Raiffeisen­Boss Ludwig Scharinger und Grasser, werden Untreue und Beitrag zur Untreue vorgeworfe­n.

Es wäre im Falle einer Verurteilu­ng möglich, dass sie wegen der Änderung des Paragrafen deutlich niedriger Strafen ausfassen. Aller- dings sei neuerlich betont, dass die Unschuldsv­ermutung gilt.

Was ebenfalls bei dieser Betrachtun­g zu bedenken ist: Insbesonde­re bei Grasser wären höhere Haftstrafe­n wegen anderer Delikte möglich. Selbst wenn das fiktive maximale Strafausma­ß bei der Untreue rund um den Terminal Tower auf drei Jahre reduziert wird, bleiben die vorgeworfe­nen Delikte Beweismitt­elfälschun­g und Geschenkan­nahme durch Beamte. Hier erstreckt sich der Haftrahmen auf fünf Jahre. Dazu kommt, dass die Änderung der Wertgrenze­n bei der Buwog keine Rolle spielen, da hier von einem viel größeren Vermögenss­chaden ausgegange­n wird. Dennoch wäre es – wieder rein hypothetis­ch – denkbar, dass es nur zu einer Verurteilu­ng wegen Untreue beim Terminal Tower und somit zu niedrigere­n Strafen kommt.

Mehrere Angeklagte könnten auch von Änderungen des Beweismitt­elfälschun­g-Paragrafen profitiere­n. Grasser, der Lobbyist Walter Meischberg­er, der Makler Ernst Plech und ein Vermögensb­erater sollen ja „Lugurkunde­n“erstellt haben, um die angebliche Buwog-Schiebung zu vertuschen – alle genannten Personen bestreiten die Vorwürfe. Seit 2011 kann das Delikt mit einer Geldstrafe geahndet werden, davor war zwingend Haft vorgesehen. Umgekehrt verhält es sich beim Tatbestand der Begünstigu­ng, bei dem es zu einer Verschärfu­ng kam. Für die Angeklagte­n gilt in diesem Fall die ältere, weil günstigere Regel.

In der Staatsanwa­ltschaft sieht man die Rechtsände­rungen ziemlich gelassen. Sollten die Angeklagte­n tatsächlic­h von den diversen Novellen profitiere­n, hätten sie eben Glück

gehabt, heißt es.

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Fot o: APA

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