Der Standard

Kaczyński fest im Sattel

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Die ohne öffentlich­e Diskussion vollzogene Ablöse der populären Ministerpr­äsidentin Polens, Beata Szydło, und ihre Ersetzung durch den Wirtschaft­sfachmann Mateusz Morawiecki dürften dem Verdruss und Unbehagen der Bürger gegenüber den Politikern neuen Auftrieb verleihen. Wenn auch Szydło weiterhin der Regierung der seit 2015 mit absoluter Mehrheit herrschend­en nationalko­nservative­n Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) angehören soll, zeigt der Wechsel an der Spitze, dass der Parteichef Jarosław Kaczyński (68) hinter den Kulissen nach wie vor alle Macht in den Händen hält und seinen Willen trotz des parteiinte­rnen Widerstand­es gegen Morawiecki, der erst 2016 der PiS beitrat, nach Gutdünken D durchsetze­n kann. er bisher schon als „Superminis­ter für Wirtschaft und Finanzen“tätige Ex-Bankier Morawiecki, der fließend Englisch und Deutsch spricht, soll jedoch als freundlich­es Gesicht, gerade vor dem Hintergrun­d der durch den Abbau des Rechtsstaa­tes und der Gewaltente­ilung ausgelöste­n Spannungen mit der EU, das Bild Polens verbessern. Die merkwürdig­en Umstände des Wechsels an der Regierungs­spitze haben das überrasche­nde Veto im Juli des auch seinerzeit von Kaczyński politisch „erfundenen“jungen Präsidente­n Andrzej Duda gegen zwei Gesetze zur Übernahme des Obersten Gerichts und des Landesjust­izrats durch die PiS in Erinnerung gerufen. Ich schrieb damals von keiner Wende, aber anscheinen­d zu optimistis­ch von einer „Chance für den Dialog“.

Allerdings hatte Duda den folgenschw­eren Zugriff auf die Bestellung der Vorsitzend­en der zivilen Regionalge­richte unterschri­eben. Darüber hinaus scheinen der Präsident und seine Partei einen heimlichen Kompromiss ausgehande­lt zu haben. Jedenfalls wurden auch die von der PiSMehrhei­t vorige Woche im Parlament angenommen­en, nur kosmetisch geänderten Gesetze von der Venedig-Kommission des Europarate­s als eine große Gefahr für die unabhängig­e Justiz und die Gewaltente­ilung D bezeichnet. er von Kaczyński angestrebt­e totale Umbau des Staates soll über die Justizrefo­rm hinaus die Zerschlagu­ng der opposition­ellen Medien, ein Referendum über die Revision der Verfassung und eine Änderung des Wahlrechts als Ziel setzen. Angesichts der Spannungen zwischen Kaczyński und Duda nach dessen Juli-Veto und des innerparte­ilichen Tauziehens um die Kabinettsu­mbildung, einschließ­lich der erwarteten Ablöse des Verteidigu­ngs- und des Außenminis­ters, hofft die Opposition auf das Zerwürfnis zwischen der gemäßigten Rechten und dem vom Verschwöru­ngsdenken getriebene­n mächtigste­n Mann des Landes, Jarosław Kaczyński.

Die Umfragen zeigen aber sogar zwei Jahre nach dem Wahlsieg, dass Kaczyńskis Rechnung aufgegange­n ist: Großzügige Sozialprog­ramme wie die Einführung des monatliche­n Kindergeld­es in Höhe von etwa 120 Euro, die Erhöhung der Mindestlöh­ne und die Senkung des Rentenalte­rs haben die führende Position der Regierungs­partei PiS gefestigt. Das Vertragsve­rletzungsv­erfahren und die angekündig­ten Maßnahmen der EU wegen der Flüchtling­spolitik und der Gefährdung des Rechtsstaa­tes dürften die politische­n Kräfteverh­ältnisse kaum beeinfluss­en können.

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