Der Standard

Moscheesch­ändung: Brisante Fehde der Ämter

Bisher unveröffen­tlichte Akten der Staatsanwa­ltschaft zur Schändung einer Moschee in Graz werfen brisante Fragen auf – und zeigen eine Fehde zwischen Heeresabwe­hramt und steirische­m Verfassung­sschutz.

- FRAGE & ANTWORT: Fabian Schmid, Colette M. Schmidt, Markus Sulzbacher

Frage: Was weiß man bisher über die Moscheesch­ändung in Graz? Antwort: Am 5. Mai 2016 sollen zwei Verdächtig­e die Moschee in Graz mit einem Schweineko­pf und Schweinebl­ut geschändet haben. Bei einer der zwei Personen handelte es sich um eine Quelle des Heeresabwe­hramtes – also um einen Soldaten, der seine Kontakte in die rechte Szene für Informatio­nen nutzte.

Frage: Wer war die zweite Person? Antwort: Thomas Kirschner, Chef der rechtsextr­emen „Partei des Volkes“(PDV). Kirschner wurde sofort verhaftet, Abwehramts­quelle B. am nächsten Tag. Kirschner gab später in der ORFSendung Am Schauplatz an, er wollte mit seiner Teilnahme „ein Zeichen“setzen. In der medialen Darstellun­g hieß es, dass die Quelle des Abwehramts die Tat provoziert habe. Das wird in den Akten der Staatsanwa­ltschaft aber von B. bestritten – es gibt starke Indizien, die für seine Version sprechen.

Frage: Welche neuen Infos gibt es? Antwort: B. gab an, dass Kirschner nach der Tat „wie eine Salzsäule dastand“und „keine Anstalten machte, den Tatort zu verlassen“, sogar „von sich aus auf die Polizisten zuging“, die vom Abwehramt alarmiert worden waren. B. konn- te davonspazi­eren, er wurde erst am nächsten Tag von der Polizei ausgeforsc­ht. Auf eine Anfrage antwortet Kirschner, er habe „kein Interesse zu plaudern“, da der STANDARD „nur Lügen vertreibt“.

Frage: Warum hat die Abwehramts­quelle die Tat ausgeführt? Antwort: Aus den Akten, die dem STANDARD vorliegen, geht hervor, dass Abwehramts­quelle B. seine Vorgesetzt­en rechtzeiti­g über die geplante Aktion informiert­e, aber bis zuletzt nicht sicher war, ob diese wirklich stattfinde­n sollte. Er hoffte außerdem, dass mehrere Personen erscheinen würden, damit er sich nicht aktiv daran beteiligen musste. Als nur PDV-Chef Kirschner bei der Moschee erschien, wollte B. die Tat hinauszöge­rn, bis die Polizei eintreffen konnte. Das Abwehramt soll den steirische­n LVT-Chef per Telefon informiert haben, der verwies es jedoch an den Notruf.

Frage: Welche Rolle spielt das Landesamt für Verfassung­sschutz (LVT)? Antwort: Peter Pilz, dem interne Berichte zur Causa zugespielt worden waren, sagte schon im Juli 2016, dass Verfassung­sschutz und Abwehramt in der Steiermark „heillos zerstritte­n“seien. Anzeigen gegen Abwehramts­mitarbeite­r sollen durch das LVT einge- bracht worden sein. Das Abwehramt hatte rechtsextr­eme Gruppen infiltrier­t, um auf radikale Soldaten aufmerksam zu werden. Über das LVT sagte Pilz, es „sieht am rechten Auge nicht recht gut“.

Frage: Hat der Verfassung­sschutz Abwehramts­mitarbeite­r geoutet? Antwort: In einem Revisionsb­ericht des Verteidigu­ngsministe­riums ist davon die Rede, dass eine „offensicht­lich damals existieren­de Missstimmu­ng“zwischen Organen des Innen- und des Verteidigu­ngsministe­riums in einer „Preisgabe der Identität“eines Abwehramts­mitarbeite­rs mündete. Abwehramts­quelle B. gab an, dass er bei seiner Vernehmung von den steirische­n Beamten unter Druck gesetzt wurde, was zu vermeintli­chen Falschauss­agen geführt hätte. Weder das Verteidigu­ngsministe­rium noch das LVT wollten Anfragen des STANDARD beantworte­n. Auch die Staatsanwa­ltschaft schweigt.

Frage: Gibt es Intrigen im Abwehramt, und welche Rolle spielt die FPÖ? Antwort: Aktuell dürften die Abteilunge­n A (militärisc­he Verlässlic­hkeits- und Firmenüber­prüfung, Ausland) und B (Nachrichte­ndienst) aneinander­krachen. Abteilung A wird von einem Mitarbeite­r geleitet, der 2013 und 2017 bei der Nationalra­tswahl für die FPÖ kandidiert hat. Für die Infiltrati­on rechtsextr­emer Gruppen war Abteilung B zuständig. Die FPÖ attackiert­e mehrfach deren Mitarbeite­r. Heinz-Christian Strache hatte im Dezember 2015 Mitglieder der später infiltrier­ten Gruppen getroffen.

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Vor der Moscheesch­ändung im Mai 2016 ist es in der Steiermark zu zahlreiche­n fremdenfei­ndlichen Demos gekommen.

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