Der Standard

Wem der Kinderbonu­s tatsächlic­h nützt

Der geplante Kinderbonu­s könnte Auswirkung­en auf den Arbeitsmar­kt haben, sagen Experten, weil der Anreiz für Frauen sinke, einen Job anzunehmen. Gestritten wird weiter über die Verteilung­swirkung der Maßnahme.

- András Szigetvari

Wien – Ein Geschenk an reiche Eltern oder eine sinnvolle Maßnahme zur Familienfö­rderung? Die geplante Einführung des Kinderbonu­s in Höhe von 1500 Euro durch ÖVP und FPÖ scheidet die Geister. Während die künftige Regierung von einem Leuchtturm­projekt spricht, sehen Gewerkscha­ft, SPÖ und Kinderfreu­nde einen „Gutverdien­erbonus“.

Auf den ersten Blick erscheint die Kritik berechtigt. Die 1500 Euro sind ein Steuerabse­tzbetrag. Davon profitiere­n also nur Personen mit ausreichen­d hohem steuerpfli­chtigem Einkommen.

Doch in der österreich­ischen Realität ist die Sachlage etwas komplexer. Zunächst werden Familien über das Steuersyst­em schon derzeit auf eine Weise entlastet, von der Besserverd­iener deutlich stärker profitiere­n. Genau diese Besserstel­lung dürfte bald wegfallen, zumindest teilweise. Und das macht die Bewertung des Kinderbonu­s in puncto Verteilung­sfairness schwierig.

Zur Ausgangsla­ge: Seit dem Jahr 2009 gilt in Österreich, dass Betreuungs­kosten in Höhe von 2300 Euro pro Kind steuerlich als Freibetrag geltend gemacht werden können. Ausgaben für (private) Schulen und Kindergärt­en dürfen ebenso angerechne­t werden wie Ausgaben für Urlaubs- und Nachmittag­sbetreuung oder einen Hort, vorausgese­tzt, die Betreuung erfolgt durch qualifizie­rtes Personal. Die 2300 Euro mindern nicht die Steuerschu­ld eines Arbeitnehm­ers gegenüber der Finanz – vielmehr sinkt die Bemessungs­grundlage. Wer mehr verdient und sich deshalb in einer höheren Steuerklas­se befindet, profitiert also stärker.

Ein Manager, der ein paar hunderttau­send Euro macht, erspart sich bei seinem Spitzenste­uersatz von 55 Prozent aktuell 1265 Euro. Bei einer Angestellt­en in der untersten Steuerklas­se (25 Pro- zent) sind es 575 Euro. Die Vorteile voll nutzen konnten bisher nur Personen, für die Ausgaben für Kinderbetr­euung leistbar waren.

Das bestehende System wirkt also regressiv. Je mehr Einkommen, umso höher die Entlastung, sagt Margit Schratzens­taller, Ökonomin am Wirtschaft­sforschung­sinstitut Wifo. Steuerexpe­rten regen deshalb schon länger Änderungen an.

Ob der Kinderbonu­s, der das bestehende System der Familienfö­r- derung via Steuersyst­em umkrempeln soll, der richtige Weg ist, darüber lässt sich streiten. Der Bonus wird direkt von der Steuerschu­ld eines Erwerbstät­igen abgezogen, unabhängig davon, in welcher Steuerklas­se man sich befindet. Auch hier gilt, dass es ohne nennenswer­tes Einkommen nichts zu versteuern gibt. Den Geringverd­ienern bringt der Bonus also wie das geltende Modell nichts. Einige Ökonomen sind daher überzeugt, dass sozialpoli­ti- sche Maßnahmen wie Familienfö­rderung im Steuersyst­em nichts verloren haben. Eher könnte bei der Familienbe­ihilfe angesetzt werden, oder es müsste für jedes Kind einen Bonus von 1500 Euro geben, und sei es via Negativste­uer.

Der umfangreic­he Bonus

Robert Neuwirth vom Institut für Familienfo­rschung in Wien hat für den STANDARD einige Rechnungen erstellt, wie sich der Bonus auswirkt, wenn der Kinderbetr­euung-Absetzbetr­ag wie geplant abgeschaff­t wird. Bei Einkindfam­ilien gewinnen Niedrigver­diener mit Bezügen von 1800 Euro im Monat brutto am stärksten dazu. Bei Zweikindfa­milien sind Personen mit 2500 (Mittelstan­d) und 3100 Euro (Gutverdien­er) ex aequo die größten Profiteure. Bei Vielkinder­familien sind Gutverdien­er die größten Gewinner vor Spitzenver­dienern.

Der Kinderbonu­s ist im Umfang viel weiter gefasst als der aktuelle Freibetrag, der zum Beispiel nur bis zum vollendete­n zehnten Lebensjahr ausbezahlt wird.

Weil er an keine Bedingunge­n wie externe Betreuung geknüpft sein soll, kann sich Expertin Schratzens­taller vorstellen, dass der Bonus auf das Arbeitsang­ebot Auswirkung­en haben wird, und zwar bezüglich Frauen. Die Absetzbark­eit von Betreuungs­kosten macht es für Mütter finanziell interessan­ter, einen Job anzunehmen, um zum Haushaltse­inkommen beizutrage­n. Den Bonus bekommt jeder – „dieser Anreiz wäre also weg“, so Schratzens­taller.

Über diese geschlecht­erspezifis­che Auswirkung auf den Arbeitsmar­kt sei bisher wenig diskutiert worden, sagt die Ökonomin. Unklar sei auch noch, ob der Kinderfrei­betrag (440 Euro) wegfallen wird, auch dieser Betrag schmälere die Bemessungs­grundlage, wirke also regressiv. Im Wahlkampf hatte die ÖVP erklärt, dass dieser Freibetrag bleiben wird.

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Zurück an den Herd? Mit dem Kinderbonu­s könnte der Anreiz für Frauen sinken, einen Job zu suchen.

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