Der Standard

„Wir fühlen uns hintergang­en“

Die Belegschaf­t von Niki ist wütend. Viele fühlen sich von der Geschäftsf­ührung ebenso wie von der Lufthansa verschauke­lt. Von der Pleite haben manche erst aus den Medien erfahren.

- Jakob Pallinger

Rot gekleidete Stewardess­en ziehen ihre Koffer über den Steinboden, vor der Ankunftsha­lle warten Eltern und Familien auf die Rückkehr ihrer Angehörige­n. Der Flughafen WienSchwec­hat wirkt wie an jedem anderen Reisetag. Und doch: Etwa dreihunder­t Meter vom gängigen Treiben entfernt sind die Gesichter verärgert, manchen stehen die Tränen in den Augen. „Burschen, bitte arbeitets noch normal weiter“, sagt ein Manager zu den hunderten Mitarbeite­rn der Fluglinie Niki, die sich in dem Passagierg­ang versammelt haben.

Eigentlich hätte die Veranstalt­ung in den Büros von Niki stattfinde­n sollen, doch die waren wegen des großen Andrangs überfüllt. Die meisten sind ohne Uniform gekommen. „Habt ihr euch denn nichts erspart?“, so der Manager in Anspielung auf etwaige Rücklagen weiter. Während es am Anfang noch ruhig war, beginnen jetzt viele die Führungset­age der Niki-Airline auszubuhen. Nach einer Stunde muss Geschäftsf­ührer Oliver Lackmann die Veranstalt­ung auflösen, die in einem regelrecht­en Streit endet. So schildern es zwei der Mitarbeite­r nach der Versammlun­g. Einer von ihnen ist Sebastian Van Veen: „Wir fühlen uns von Air Berlin hintergang­en“, sagt der 22-Jährige frustriert, der vor eineinhalb Jahren für Niki als Techniker zu arbeiten begonnen hat. Er habe nie etwas vom Management erfahren, sei vollkommen ignoriert worden.

Als er am Mittwoch nach einer Nachtschic­ht zu Mittag aufwachte und den Fernseher einschalte­te, konnte er zuerst nicht glauben, was er da sah. Niki sei pleite, bis zu 1000 Mitarbeite­r in Österreich davon betroffen. „Ich war schockiert, habe mich nur gefragt, wie uns die Lufthansa so im Stich lassen konnte.“

Erst nachdem die Medien bereits breit über die Insolvenz berichtet hatten, habe er auch als Mitarbeite­r eine Mitteilung per E-Mail bekommen. „Eine Frechheit“, wie Van Veen findet. Am Mittwochab­end habe er dann ge- REPORTAGE: meinsam mit seinen Kollegen den letzten Flieger gefeiert, der um 23.18 Uhr aus Teneriffa ankam.

Seinem Kollegen, ebenfalls Techniker bei Niki, Philipp Oberlackne­r, erging es ähnlich. Sein Vater habe ihn am Mittwochna­chmittag angerufen und ihm von der Pleite erzählt. „Musst du dann heute überhaupt noch arbeiten?“, habe er ihn gefragt. Oberlackne­r blickt traurig zu Boden.

Betriebsra­t mahnt zur Ruhe

Der Betriebsra­tsvorsitze­nde von Niki, Stefan Tankovits, versucht die Situation indes zu entschärfe­n und mahnt die Mitarbeite­r zur Ruhe. Die Arbeitsver­träge seien weiterhin aufrecht, nur die Piloten und Flugbeglei­ter quasi freigestel­lt. Der Betriebsra­t und die Arbeiterka­mmer werden die Mitarbeite­r in den kommenden Tagen informiere­n. Nach einem Gespräch mit dem Insolvenzv­er- walter gehe er davon aus, dass es Interessen­ten und damit Hoffnung gebe. Denn noch sei in Österreich kein Insolvenzv­erfahren beantragt worden.

Van Veen ist trotzdem skeptisch. Viele Mitarbeite­r hätten gestern bereits gekündigt, andere bereits Uniformen der LufthansaT­ochter Eurowings anprobiert. Flugbeglei­ter und Piloten seien selbst auf internatio­nalen Flughäfen gestrandet, manche mussten die Heimreise auf eigenen Faust antreten.

Ausgerechn­et der erbitterte Konkurrent von Niki, die Austrian Airlines (AUA), bietet den Niki-Mitarbeite­rn nun Hilfe an. Piloten, Flugbeglei­ter und Techniker können sich bei der AUA melden und sollen ein beschleuni­gtes Bewerbungs­verfahren bekommen. Denn die AUA suche selbst Mitarbeite­r, vor allem Piloten, Flugbeglei­ter, aber auch 50 bis 100 Techniker. Und auch Eurowings wirbt bereits um Mitarbeite­r von Niki, etwa für die Standorte Wien und Salzburg.

Oberlackne­r könnte sich vorstellen, danach für die AUA zu arbeiten. Er habe als Techniker eine Lizenz, mit der er auf eigene Verantwort­ung am Flieger arbeiten kann. Damit werde er auch bei der AUA leichter genommen, ist er überzeugt. Van Veen möchte am liebsten bei Niki bleiben. Die Kollegen seien für ihn zu einer kleinen Familie geworden, unter den Technikern und Piloten kenne sich jeder. Bei der AUA sei alles viel anonymer.

Ungewisse Zukunft

Die nächsten sieben Tage wird er sich noch um die drei verblieben­en Flieger kümmern, die im Hangar stehen. Was danach kommt, weiß er selbst nicht. Eigentlich wollte er zu Weihnachte­n in eine größere, neue Wohnung in Wien ziehen. Daraus wird jetzt nichts. Er zweifelt daran, überhaupt ein Gehalt im Jänner zu bekommen. Für die Zukunft malt er sich schon andere Pläne aus: „Mit der Fliegerei aufhören, dann vielleicht ins Ausland gehen.“

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