Der Standard

Türkis-blaue „Trägerrake­te“

Opposition empört über Eilverfahr­en, Experten nicht

- Lisa Nimmervoll

Wien – Weder der Parlamenta­rismusexpe­rte noch der Verfassung­sjurist sehen ein großes Problem darin, dass die künftigen Koalitionä­re keine Zeit verlieren und das Bundesmini­sterienges­etz sowie das gesetzlich­e Budgetprov­isorium im Eilverfahr­en durchdrück­en wollen. Anders als die Opposition, die im Parlament am Mittwoch darüber erzürnt war, können Werner Zögernitz, Direktor des Instituts für Parlamenta­rismus und Demokratie­fragen, und Verfassung­sexperte Heinz Mayer durchaus nachvollzi­ehen, dass ÖVP und FPÖ „zeitgerech­t versuchen, das Budget und die Ministerie­naufteilun­g zu regeln“(Mayer).

Ministerie­n sollen arbeiten

Zögernitz argumentie­rt im STANDARD- Gespräch: „Gerade das Bundesmini­sterienges­etz ist etwas, das nur die Regierung betrifft und das für das Parlament kaum eine Rolle spielt. Die Ministerie­n sollen ja möglichst bald zu arbeiten beginnen.“Darum sei es verständli­ch, dass die künftige Regierung die Verteilung der Kompetenze­n, aber auch die damit zusammenhä­ngende Budgetvert­eilung recht schnell – und noch vor den Feiertagen und dem Jahreswech­sel – auch im Parlament fixieren wolle. Das sei auch für die Opposition­sparteien „nicht schlecht“, meint Zögernitz, „weil sie dann schnell wissen, welcher Minister Ansprechpa­rtner für welche Materie ist. Normalerwe­ise bin ich gegen Durchpeits­chen, aber in diesem Fall, wo es um die künftige Aufgabenve­rteilung und das Budget dazu geht, ist das sachlich nachvollzi­ehbar.“Auch wenn ÖVP und FPÖ dazu am Mittwoch eine „Trägerrake­te“– quasi eine Gesetzeshü­lle ohne konkrete Inhalte – einbringen mussten, weil die Ministerie­nfragen noch nicht ausverhand­elt sind.

Kritik am „Drüberfahr­en“

ÖVP und FPÖ haben beiden Gesetzen am Ende der Nationalra­tssitzung am Mittwoch eine Frist gesetzt, mit der schon kommende Woche anlässlich der Präsentati­on der neuen Regierung im Parlament – sie muss innerhalb einer Woche nach der Angelobung stattfinde­n – die Beschlüsse vollzogen werden können. Die Opposition empfand das als „schäbiges Spiel“mit den Grundregel­n des Parlaments (SPÖ), eine „Sauerei“(Neos), weil ohne Ausschussd­ebatte, und als „Drüberfahr­en“(Liste Pilz). Bisher war es Usus, dass das entspreche­nde Gesetz mit den neuen Ressortkom­petenzen erst in der ersten Plenarwoch­e nach der formellen Präsentati­on der Regierung verabschie­det wird.

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