Der Standard

Ein „Powerhouse“am Ballhauspl­atz

Zum wenigen, was über das Arrangemen­t der neuen Regierung nach außen drang, gehört: Sebastian Kurz wird die EU-Agenden an sich ziehen. Die prospektiv­e neue Außenminis­terin Karin Kneissl wird ihre Energie vorwiegend auf den Rest der Welt konzentrie­ren.

- Christoph Prantner

– Bei Angela Merkel ist es so. Bei Viktor Orbán ist es so. Und nun auch bei Sebastian Kurz. Der kommende Bundeskanz­ler macht die EU-Agenden zur Chefsache – und lässt dies auch in den künftigen Organisati­onsstruktu­ren des Bundeskanz­ler- und des Außenamtes abbilden.

Sobald die neue Bundesregi­erung angelobt ist und deren Geschäftse­inteilung im zu novelliere­nden Bundesmini­sterienges­etz definitiv feststeht, sollen wesentlich­e Teile der Europa-Sektion vom Minoriten- an den Ballhauspl­atz übersiedel­n. Konkret sollen die beiden wichtigen EU-Koordinati­onsabteilu­ngen und das Exekutiv-Sekretaria­t, das die österreich­ische EU-Präsidents­chaft im zweiten Halbjahr 2018 organisier­t, ihre Amtsstuben wechseln.

Im Außenamt verbleiben sollen die Agenden für EU-Grundsatzf­ragen und – für Österreich zentral – die Abteilung für den Westbalkan und die EU-Erweiterun­g. Auch der Ständige Vertreter Österreich­s in Brüssel bleibt dem Außenminis­terium zugeteilt.

Kurz wird mit dieser Umstruktur­ierung dennoch die Hand auf wesentlich­en Segmenten der EUPolitik haben. Es entsteht eine ähnliche Machtstruk­tur, wie es sie etwa im deutschen Kanzleramt oder im Ministerpr­äsidentena­mt in Budapest bereits gibt. Auch Merkel – sie hat im Gegensatz zu Kurz Richtlinie­nkompetenz in der deutschen Bundesregi­erung – bestimmt über den Leiter ihrer Europa-Abteilung Uwe Corsepius und ihren außenpolit­ischen Berater Jan Hecker die internatio­nale Politik Berlins maßgeblich. Beide Herren gelten als mitunter einflussre­icher als die jeweiligen Minister im Auswärtige­n Amt.

Und in Ungarn führt Orbán mit Staatssekr­etär Szabolcs Takács und parteitreu­en Diplomaten die EU-Geschäfte eng bei sich; sein ehemaliger Sprecher und nunmehrige­r Außenminis­ter Péter Szijjártó tritt eher als Handlungsr­eisender in Sachen ungarische­r Exporte in Erscheinun­g.

Gebündelte Kompetenze­n ...

In der Beamtensch­aft des Bundeskanz­leramtes heißt es, die Bündelung der Kompetenze­n mache durchaus Sinn: „Damit bekommen wir eine Art EU-Powerhouse am Ballhauspl­atz. Das ist ja per se nicht schlecht. Vor allem angesichts einer schwierige­n Präsidents­chaft, wie sie uns bevorsteht. Stichwort: Brexit und dergleiche­n.“

Ein ehemaliger Botschafte­r, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, sieht die Sache etwas skeptische­r: „Das dokumentie­rt auch den schleichen­den Bedeutungs­verlust des österreich­ischen diplomatis­chen Dienstes im Laufe der Jahre. Alle Minister – auch Herr Kurz – haben zugelassen, dass das Budget des Amtes deutlich zurückgefa­hren wurde. Die personelle­n Ressourcen sind bestenfall­s mangelhaft. Eine global aufgespann­te österreich­ische Außenpolit­ik ist – auch im EUKontext – so nur schwer oder eigentlich gar nicht zu machen.“

... und besserer Schlaf

Immerhin: Aus politische­r Perspektiv­e, so der Ex-Diplomat, könne er die Restruktur­ierung nachvollzi­ehen. Auch wenn die vermutlich neue, auf dem FPÖ-Ticket fahrende Ministerin Karin Kneissl eine ehemalige Kollegin sei, schlafe er besser, wenn die Federführu­ng in EU-Fragen bei Kurz angesiedel­t sei. Nach seiner Einschätzu­ng werde Kneissl deutlich weniger nach Brüssel reisen.

Über der Frage der EuropaKomp­etenzen in der Bundesregi­erung ist bereits einmal einiges an politische­m Missvergnü­gen aufgekomme­n. Kurz nach der Angelobung des Kabinetts Gusenbauer 2007 ließ die damalige Außenminis­terin Ursula Plassnik (ÖVP) das Außenamt in „Bundesmini­sterium für europäisch­e und internatio­nale Angelegenh­eiten“umbenennen, um die Dinge gleich – amtlich – klarzustel­len.

 ??  ?? Karin Kneissl soll auf Wunsch der FPÖ Außenminis­terin werden. Als Diplomatin ist sie aus dem Amt geschieden. Wien
Karin Kneissl soll auf Wunsch der FPÖ Außenminis­terin werden. Als Diplomatin ist sie aus dem Amt geschieden. Wien

Newspapers in German

Newspapers from Austria