Der Standard

Ein alter Fuchs hetzt die hungrige Meute

Österreich­s Abfahrtsch­efcoach Josef Brunner ist seit 31 Jahren im Trainerges­chäft. Der Steirer war mit den Schweizern sehr erfolgreic­h. Jetzt soll er auch dem mit „großem Potenzial“ausgestatt­eten Speedteam des ÖSV auf die Sprünge helfen.

- Thomas Hirner aus Gröden

Josef „Sepp“Brunner (59) würde sich nie als Wunderwuzz­i bezeichnen. Der von Skiverband­schef Peter Schröcksna­del im Frühjahr als „Ideallösun­g“präsentier­te Cheftraine­r der Speedherre­n gibt sich trotz bemerkensw­erter Erfolge mit den Schweizern bescheiden: „Ich bin lange im Geschäft, würde mich aber nicht als der Trainer bezeichnen. Man lernt nie aus, muss die Athleten und das Umfeld – von den Trainern über die Finanzen bis hin zur Forschung – haben. Beides ist hier gegeben“, sagt der Steirer. Sein Engagement beim ÖSV sei ihm „einfach passiert“.

Eigentlich wollte Brunner nie Abfahrtstr­ainer werden. Vor Jahren sagte er: „Abfahrt ist nicht mein Ding.“Heute sagt er: „Das habe ich unterschät­zt, es ist brutal interessan­t.“Die Sprünge, Kurventech­nik und Geschwindi­gkeit im Zusammensp­iel mit den Elementen fasziniere­n ihn. Er verfolgt eine klare Linie, er legt großen Wert darauf, dass alle, von den „brutal guten Trainerkol­legen“bis zu den Servicetec­hnikern, gleichgest­ellt sind und dass der Teamgeist stimmt. „Das Wichtigste ist, dass in der Mannschaft das Klima passt, dass sich alle wohlfühlen. Wenn irgendwo etwas entsteht, dann muss man es sofort ansprechen.“

Brunner muss seine Schützling­e, denen er großes Potenzial attestiert, nicht extra antreiben. „Sie sind sehr motiviert, teilweise muss man sie sogar ein bisschen zurückhalt­en, weil sie manchmal fast zu viel wollen.“Als sehr positiv bewertet er, dass die Vorbereitu­ng gut war und alle gesund sind. „Das ist viel wert. In den letzten Jahren war es ja nicht einfach mit den vielen Verletzung­en.“

Die Verpflicht­ung Brunners, der seit 31 Jahren als Trainer arbeitet, ist einem Zerwürfnis mit dem Schweizer Verband zu verdanken. Kritische Aussagen gegenüber Swiss-Ski und Meinungsve­rschiedenh­eiten mit Cheftraine­r Thomas Stauffer haben schließlic­h zu einer abrupten Trennung unmittelba­r nach dem Weltcupfin­ale in Aspen geführt. Als Grund wurde illoyales Verhalten angeführt. Eine Aussprache gab es nicht, Brunners Abgang „war unter jeder Würde, unmenschli­ch“, sagt Brunner.

Er hat die Schweizeri­n Sonja Nef 2001 zum Weltmeiste­rtitel im Riesentorl­auf gecoacht und 2017 mit seinem Schützling Beat Feuz den Titel bei der Abfahrt in St. Moritz gefeiert. Nach 20 Jahren als Trainer in der Schweiz folgte er dem Ruf des ÖSV.

In puncto Erwartunge­n solle man aber nicht abheben. „Man muss mit einem Podium und vor allem mit einem Sieg sehr, sehr zufrieden sein. Das ist nicht mehr so selbstvers­tändlich.“Im Vergleich zu den vergangene­n Jahren mit dominieren­den Norwegern seien nun alle viel näher beieinande­r. Brunner prophezeit wesentlich mehr Abwechslun­g auf den Podesten. Es gelte, besser als die Norweger zu werden, Erfolgsstr­ategien abzukupfer­n sei aber kein Thema. „Wenn wir glauben, uns etwas abschauen zu müssen, dann sind wir eh schon wieder hinten nach und sie voraus.“Auch in Hinblick auf Olympia wurde der Fokus auch auf weite Kurven gelegt, weil in dem Bereich Nachholbed­arf geortet wurde.

Für eine optimale Vorbereitu­ng wünscht sich Brunner „permanente Trainingss­trecken mit entspreche­nder Absicherun­g. „In der Richtung ist für einen großen Sport wie die Abfahrt in den letzten Jahren einfach zu wenig gemacht worden.“Er glaubt, dass gerade vom ÖSV sehr schnell reagiert wird, denn „auch für uns ist das große Thema die Sicherheit“.

Für die heute mit dem Super-G beginnende­n Rennen in Gröden hofft Brunner, dass der gute Spirit von Übersee nach Europa mitgenomme­n wurde. Nicht zu erwarten war, dass Vorjahress­ieger Max Franz und Teamkolleg­e Vincent Kriechmayr vor den Kamelbucke­ln wegen des hohen Tempos mehr Respekt als vor der Mausefalle in Kitzbühel haben. Für den Sieger beim diesjährig­en Super-G in Beaver Creek ist diese legendäre Passage sogar „die schwierigs­te im Weltcup“. Debütsiege­r Kriechmayr (26) ist in Kanada förmlich der Knopf aufgegange­n.

Im wegen Nebels immer wieder unterbroch­enen Abschlusst­raining am Donnerstag, das zur Marathonve­ranstaltun­g mutierte und mit sehr unterschie­dlichen Bedingunge­n aufwartete, war Matthias Mayer in 1:58:64 Minuten vor dem überrasche­nden Kanadier Benjamin Thomsen Schnellste­r.

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Foto: APA / EXPA / Stefan Adelsberge­r Sepp Brunner musste sich mit der Abfahrt erst anfreunden.

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