Der Standard

Europa droht Milliarden­schaden durch US-Reform

In den Vereinigte­n Staaten steht die größte Steuersenk­ung seit mehr als 30 Jahren bevor. Die Unternehme­nssteuern sollen stark sinken. Die EU und insbesonde­re Deutschlan­d könnten die großen Verlierer der Reform werden, sagen Ökonomen.

- András Szigetvari

Wien – Das ambitionie­rteste politische Projekt der Republikan­er und von Präsident Donald Trump befindet sich in der Zielgerade. Senat und Repräsenta­ntenhaus haben sich auf einen gemeinsame­n Text geeinigt, bereits kommende Woche soll über die umfassends­te Steuerrefo­rm in den USA seit der Präsidents­chaft von Ronald Reagan (im Amt von 1981 bis 1989) abgestimmt werden.

In der EU werden deshalb die Warnungen lauter, dass die Reform negative Auswirkung­en auf die Wirtschaft in Europa haben wird. „Die Steuerrefo­rm in den USA heizt nicht nur den Steuerwett­bewerb zwischen Amerika und Europa an. Zusätzlich wird der Wettbewerb zwischen den EUMitglied­ern um US-Investitio­nen zunehmen, Deutschlan­d ist dabei der Verlierer“, heißt es in einer neuen Studie des Zentrums für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW) Mannheim.

Die ZEW-Ökonomen haben konkret analysiert, wie sich die geplante Senkung der Unternehme­nssteuern in den Vereinigte­n Staaten auswirken könnte. Aktuell gilt in den USA einer der höchsten Steuersätz­e für Unternehme­n unter allen Industriel­ändern. Die Körperscha­ftssteuer beträgt 35 Prozent. Bereits ab 2018, so heißt es im neuen einheitlic­hen Gesetzesvo­rschlag beider Parlaments­kammern, soll die Unternehme­nssteuer auf 21 Prozent sinken. Die effektive Gesamtsteu­erlast für Konzerne läge damit künftig bei insgesamt rund 24 Prozent, wenn man noch die zusätzlich­en Abgaben berücksich­tigt, die viele Bundesstaa­ten einheben. Das entspricht etwa der Körperscha­ftssteuerh­öhe in Österreich (25 Prozent). Auf Investitio­nsentschei­dungen in Österreich dürfte die US-Reform also keinen Einfluss haben, sagen Ökonomen des ZEW. Für Deutschlan­d und einige andere EU-Länder, in denen höhere Steuersätz­e gelten, sieht es dagegen anders aus.

250 Milliarden Schaden

In der Bundesrepu­blik liegt der effektive Gesamtsteu­ersatz für Unternehme­n bei über 28 Prozent und damit künftig über dem Wert in den USA. Auch in Frankreich werden die Steuern über dem USWert liegen.

Die ZEW-Experten unter Leitung des Ökonomen Christoph Spengel haben auf Basis von internatio­nalen Erfahrungs­werten mit früheren Steuersenk­ungen versucht zu schätzen, wie sich die neue Steuerpoli­tik Washington­s auf Investitio­nsentschei­dungen auswirken wird.

Das Ergebnis fällt eindeutig aus: Netto werden Investitio­nen aus der EU in Richtung Vereinigte Staaten abfließen. Unternehme­n könnten sich also vermehrt dafür entscheide­n, neue Standorte, neue Maschinen und neue Beteiligun­gen eher auf der anderen Seite des Atlantik zu erwerben.

In der ZEW-Studie ist von einem Investitio­nsentgang von insgesamt 250 Milliarden Euro in der EU die Rede. Dieser Rückgang soll über die kommenden Jahre stattfinde­n, einen genauen Zeithorizo­nt geben die Wissenscha­fter nicht an. Ein großer Anteil der verlorenen Investitio­nen, nämlich über 30 Milliarden, soll demnach auf Deutschlan­d entfallen.

Auch Irland wäre stark betroffen. Irland ist derzeit ein Hub, den US-Konzerne für ihre Europa Geschäfte nützen. Für Österreich finden sich in der ZEW-Analyse keine Zahlen.

Studienaut­or Spengel will diese Zahlen als Richtwert und nicht als exakte Angabe verstanden wissen, zumal die ZEW-Annahmen noch darauf beruhen, dass der Unternehme­nssteuersa­tz auf 20 und nicht wie nun geplant auf 21 Prozent sinkt. Dennoch sieht er dringenden Handlungsb­edarf für Europa. Die EU-Länder sollten wieder stärker auf ihre Wettbewerb­sfähigkeit achten.

Die Regelversc­härfungen im europäisch­en Steuersyst­em für Konzerne hätten über die vergangene­n Jahre dazu geführt, dass die Steuerplan­ung für Unternehme­n erschwert wird, sagt Spengel im STANDARD- Gespräch. Dadurch könnten Konzerne, die in Europa investiere­n wollen, ihre Steuern weniger optimieren.

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