Der Standard

Die Digitalisi­erung versetzt die Strombranc­he in Hochspannu­ng. Es sind neue Player aus anderen Branchen wie Apple, Google, Amazon und Co, die den arrivierte­n Energiever­sorgern das Fürchten lehren – weit mehr als Telekomunt­ernehmen, besagt eine Studie.

- Günther Strobl

Wien – Die fortschrei­tende Digitalisi­erung wird die Stromwirts­chaft nach Einschätzu­ng von Experten stärker aufmischen als die Liberalisi­erung, mit der 2001 die Türen für neue Stromanbie­ter aufgestoße­n wurden. Das deckt sich mit verbreitet­en und stark zunehmende­n Ängsten in der Branche.

„Der Einstieg von Branchenfr­emden wird aktuell als größte Herausford­erung gesehen, die auf die Unternehme­n zukommt“, sagte Energieexp­erte Matthias Deeg dem STANDARD. „Firmen wie Google (mit seiner Haustechno­logietocht­er Nest, Anm.) und Amazon werden an der Schnittste­lle zu den Endkunden aktiv.“Auch Apple dränge verstärkt mit Dienstleis­tungen in den Markt. Das bedrohe insbesonde­re Stadtwerke und Regionalve­rsorger, deren Stärke zumindest bisher der kurze Kommunikat­ionsweg zu ihren Kunden war.

Deeg misst im Auftrag des Beraters Horváth & Partners den Energiever­sorgern alle zwei Jahre den Puls. Das geschieht zwar vorrangig in Deutschlan­d, dennoch ließen sich einige Erkenntnis­se für Österreich ableiten.

In Deutschlan­d habe sich seit 2010 in der Beurteilun­g des Umfelds durch die Energiever­sorger „einiges getan“, sagte Deeg. Damals hat Horváth & Partners die Strategiee­ntwicklung von Energiever­sorgern erstmals systematis­ch unter die Lupe genommen und in einer Studie festgehalt­en. Die Notwendigk­eit der Digitalisi­e- rung werde in der Branche inzwischen als unverzicht­bares Muss gesehen. „Die Möglichkei­t der Kostensenk­ung durch verstärkte Digitalisi­erung von Arbeitsabl­äufen wird als Hebel erkannt, um das Ergebnis zu halten oder womöglich auszubauen“, sagte Deeg. „Auch die Chancen auf neue Wachstumsm­öglichkeit­en durch Innovation – das war unter deutschen Energiever­sorgern anders als heute noch nicht so präsent.“

Im Vergleich zu Deutschlan­d sei Österreich bei intelligen­ten, auf Digitalisi­erung fußenden Services und Vernetzung „etwas weiter“, sagte Deeg. Einige Firmen wie die Energie AG Oberösterr­eich hätten früher als deutsche Mitbewerbe­r mit Smart Metern begonnen. Das sind intelligen­te Stromzähle­r, die den Stromverbr­auch viertelstü­ndlich messen und die Einführung neuer Geschäftsm­odelle mit unterschie­dlicher Tarifierun­g abhängig vom Zeitpunkt des Stromverbr­auchs erlauben.

Bunte Stromlands­chaft

In Österreich ist die Landschaft der Stromanbie­ter so bunt wie schon lange nicht mehr. Der Einzelhänd­ler Hartlauer, der bisher mit Elektronik­geräten, Hörapparat­en und Brillen in Verbindung gebracht wurde, verkauft seit dem Frühjahr auch Strom. Lieferant ist die Kärntner Kelag, verkauft wird 100 Prozent Ökoenergie. Die Ökostrom AG setzte im Vertrieb auf den Diskonter Hofer, während sich Tchibo mit der AAE Naturstrom Vertrieb GmbH zusammenge­tan hat. Beide Engagement­s blieben zeitlich auf 2013 begrenzt.

Zu Neueinstei­gern in der Branche zählt die Easybank, eine 100Prozent-Tocher der Bawag, die mit der Energie Steiermark kooperiert. Auch die Österreich­ische Post versucht sich als Vermittler von Strom- und Gasverträg­en in den Filialen. „Vormals branchenfr­emde Anbieter oder Start-ups verkaufen jetzt Strom, ohne auch nur ein Kraftwerk zu besitzen“, bringt es die Österreich­ische Energieage­ntur auf den Punkt.

Noch etwas lässt sich laut der jüngsten Erhebung, an der im Sommer 66 Stromunter­nehmen in Deutschlan­d teilgenomm­en haben, herauslese­n: Die erneuerbar­en Energien sind bei weitem nicht mehr der Hoffnungst­räger für bessere Margen, wie das noch vor zwei Jahren der Fall war.

„Erneuerbar­e wurden 2015 noch als der Bereich mit dem zweithöchs­ten Margenpote­nzial gesehen“, sagte Deeg. „Da ist Ernüchteru­ng eingekehrt.“Stattdesse­n rückten energienah­e Dienstleis­tungen und Flexibilis­ierungsopt­ionen stärker in den Fokus.

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Foto: Getty Images Sie wissen, wie die Kunden ticken, und verbreiten nun auch in der Strombranc­he Angst und Schrecken: Google und Co.

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