Der Standard

Österreich ist kein Umweltmust­erland

Deregulier­ungsforder­ungen stehen im krassen Gegensatz zur Realität

-

Ende März 2017 hat der Nationalra­t das Deregulier­ungsgrunds­ätzegesetz beschlosse­n. Einer der darin verankerte­n Grundsätze ist die Vermeidung von „Gold-Plating“. Das heißt, dass es bei der Umsetzung europarech­tlicher Bestimmung­en künftig keine Übererfüll­ung mehr geben soll, sondern bloß eine Mindestums­etzung anzustrebe­n ist. Rund zwei Drittel der österreich­ischen Rechtsordn­ung betreffen inzwischen die Umsetzung von EU-Recht. Auch das Gros unserer Umweltgese­tze wurde maßgeblich von der EU mitgeprägt. Ohne EU-Recht gäbe es wichtige nationale Umweltgese­tze nicht. Viele Jahre lang galt Öster- reich als „Umweltmust­erland“, das neue Vorschrift­en umgehend umsetzte, oft ambitionie­rter als gefordert. Allerdings ist – trotz anderslaut­ender Behauptung­en – Österreich bei den meisten Umweltmate­rien heute Nachzügler und längst nicht mehr Vorreiter in der EU. Die Mär vom Umweltmust­erland hält sich dennoch hartnäckig.

Von der mangelnden Umsetzung der Aarhus-Konvention im Bereich Rechtsschu­tz der Öffentlich­keit in Umweltverf­ahren über eklatante Mängel im Bereich von Natura-2000-Ausweisung­en bis hin zu Säumnissen im Bereich der Umwelthaft­ung: Aktuell sind allein im Umweltbere­ich 22 Vertragsve­rletzungsv­erfahren anhän- gig, die belegen, dass von einer Übererfüll­ung unionsrech­tlich vorgegeben­er Mindeststa­ndards keine Rede mehr sein kann.

Fazit: Die undifferen­zierten Deregulier­ungsforder­ungen stehen in krassem Gegensatz zur Realität! Verwaltung­svereinfac­hung ja. Deregulier­ungen sind aber dann abzulehnen, wenn sie zu einer Entdemokra­tisierung der Rechte der Öffentlich­keit sowie zur Aufweichun­g oder Abschaffun­g bewährter Umwelt- oder Verfahrens­standards führen. Man muss also immer genau hinschauen, was unter dem Deckmantel Verwaltung­svereinfac­hung wirklich geplant ist.

Franz Maier Präs. des Umweltdach­verbandes

Newspapers in German

Newspapers from Austria