Der Standard

Theresa Mays Demütigung

- Sebastian Borger

Das Referendum über den britischen EU-Austritt katapultie­rte Theresa May vor eineinhalb Jahren in ihr Amt. Von Beginn an versuchte die Premiermin­isterin, das Parlament von der Meinungsbi­ldung auszuschli­eßen. Ihren desaströse­n Kurs auf den harten Brexit samt Austritt aus Binnenmark­t und Zollunion beschloss sie im stillen Kämmerlein; nicht einmal das Kabinett wurde konsultier­t. Erst der Oberste Gerichtsho­f zwang sie dazu, das Unterhaus über den EU-Austritt abstimmen zu lassen.

Kein Wunder, dass die Parlamenta­rier den Verspreche­n der konservati­ven Minderheit­sregierung kein Vertrauen schenken. Am Mittwoch verpassten sie – darunter auch elf Tory-Parteifreu­nde – May eine blutige Nase. Vordergrün­dig ging es dabei um eine Abstimmung über die Vereinbaru­ng, die Großbritan­nien mit der EU aushandeln will. Dabei wissen die Praktiker: Ist der Deal mit den 27 Partnern erst einmal vereinbart, wäre eine Nachverhan­dlung kaum denkbar. Von einem Veto des Parlaments kann keine Rede sein.

In Wirklichke­it haben die Abgeordnet­en ein Signal gesandt: Wir lassen uns nicht mehr herumschub­sen, wollen in die Verhandlun­gen einbezogen werden, sodass am Ende ein Deal für das ganze Land herauskomm­t. Die Wählerscha­ft hat May bei der Wahl im Juni das Mandat für den harten Brexit verweigert. Das Unterhaus vollzieht verspätet den Volkswille­n nach. Nach der Demütigung im Parlament ist es jetzt an May, ein wenig Demut zu zeigen.

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