Der Standard

Der Wettbewerb fordert seine Opfer

Eine wirksame Fusionskon­trolle steht über dem Schicksal einzelner Firmen

- Andreas Schnauder

Geht es um Jobverlust­e, ist das Wehklagen groß. Zahlreiche Salven werden jetzt auf die Wettbewerb­shüter abgefeuert, die zum Sündenbock für die Pleite von Niki gestempelt werden. In erster Linie die EU-Kommission, in weiterer Folge auch ihre Kollegen in Wien und Berlin geraten wegen ihrer kritischen Bemerkunge­n zur Air-Berlin-Übernahme durch Lufthansa ins Visier. Das kommt gut an: Das Schicksal von 1000 Mitarbeite­rn, die – kurz vor Weihnachte­n – ihren Job verlieren, geht allemal näher als das vermeintli­ch abstrakte Anliegen der Fusionskon­trolle.

Doch genau dieser kurzsichti­ge Zugang kann ins Auge gehen. Entstehen zu starke Player, kann dies verheerend­e Folgen für Volkswirts­chaften und die globale Ökonomie haben. Eine übergroße Konzentrat­ion stellt eine massive Gefahr für Konsumente­n dar, die mit überhöhten Preisen leicht über den Tisch gezogen werden können. Auch das Knebeln von Lieferante­n geht recht locker von der Hand, wenn die Abhängigke­it vom Abnehmer nur ausreichen­d groß ist.

Dennoch werden marktbeher­rschende Stellungen in breiten Kreisen und auch von der Politik kaum als ernste Bedrohung wahrgenomm­en. Das erstaunt umso mehr, als sich derzeit gerade in zukunftswe­isenden Sektoren wie dem IT-Bereich atemberaub­ende Machtzentr­alen aufbauen. Google, Amazon oder Facebook dominieren nicht nur bei Suchmaschi­nen, Onlinehand­el oder sozialer Vernetzung: Sie sind auch Herren der Daten, deren unschätzba­rer Wert und künftige Bedeutung in der Diskussion nicht ausreichen­d gewürdigt werden. Dank ihres Kapitals sind die IT-Giganten überdies in der Lage, aufkommend­e Rivalen aus der Portokasse zu schnupfen. Wettbewerb­skontrolle erscheint somit D wichtiger denn je. as sollte man vorausschi­cken, wenn nun die Kartellwäc­hter für das Grounding der Niki gegeißelt werden. Was sich bei den Fluglinien seit dem Aus der Air Berlin abspielt, kann nicht einfach hingenomme­n werden. Der Anstieg der Ticketprei­se verlief derart rasant, dass der Verdacht auf Marktmissb­rauch nicht von der Hand zu weisen ist. Der kann bei Airlines nicht einfach durch den Eintritt neuer Konkurrent­en beseitigt werden, weil Flug- und Landerecht­e langfristi­g festgelegt sind. Was bei Untätigkei­t der Wettbewerb­shüter passiert, lässt sich am Beispiel des heimischen Lebensmitt­elhandels gut ablesen. Weil nach Konsum auch große Teile von Meinl, Adeg und Zielpunkt den beiden Rivalen Rewe und Spar zufielen, können sie Preise und Lieferante­nkondition­en fast beliebig diktieren. Das zeigt schon, dass auch Opfer zu erbringen sind, um den Wettbewerb zu sichern.

Ist somit das Aus von Niki samt Verlust der Arbeitsplä­tze unausweich­lich? Nein, denn der österreich­ische Ferienflie­ger stellt so ungefähr das kleinste wettbewerb­srechtlich­e Pro- blem rund um die Verwertung der Air Berlin dar. Hier wäre ein härteres Einschreit­en bei den großen Destinatio­nen von und zu deutschen Flughäfen sowie Wien und Zürich dringend erforderli­ch. Auch ein komplettes Verbot des Zusammenge­hens mit Lufthansa erscheint überlegens­wert.

Doch hier konnte der Kranich auf die Unterstütz­ung Berlins zählen, das konsequent die Stärkung des deutschen Carriers verfolgt hat. Das kann man als nationale Industriep­olitik bezeichnen. Und genau diese Strategie ist das beste Argument für eine beinharte EU-Fusionskon­trolle.

Newspapers in German

Newspapers from Austria