Der Standard

Vier minus eins ist vier

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Drei Kerzen. Bis zum Sommer 1976 waren wir auch drei. Dann wurden wir vier. Zwei Mädchen und zwei Buben. Kinderjahr­e am Land, viel Freiheit, miteinande­r spielen, lachen, streiten, wie es sich für Geschwiste­r gehört. Und auf einmal waren alle „groß“und aus dem Haus, jeder woanders.

Eine Sommernach­t im Juli 2004 änderte alles. Es schüttete. Plötzlich waren wir wieder drei. Nur noch drei. Der Bruchteil einer Unfallseku­nde versetzte dem Leben eine unhinterge­hbare Zäsur. Erinnerung­en an viele „letzte Male“. Der letzte Blick. Als würde er schlafen. An das letzte Mal miteinande­r Rasen mähen. Das letzte Wort in der Küche. Die Trauer, als sein letztes getragenes Hemd gewaschen war. Seine Uhr wurde meine. Nach einem Wohnungsei­nbruch auch die noch weg. Nie mehr seine Stimme hören. Nicht einmal auf der Mailbox. Seine Handynumme­r gehört jetzt jemand anderem.

Die Welt steht kopf, wenn ein Kind vor den Eltern gehen muss. Auch wenn es fast drei Jahrzehnte Leben hatte. Zu wenig. Die Welt steht still.

Irgendwann kam das Lachen zurück. Die Sommer wurden Jahr um Jahr wieder wärmer. „Sein“Baum im Garten, eine Ulme, legt Ring um Ring zu.

Das Leben geht weiter, heißt es dann. Ja. Nein. Ein anderes Leben geht weiter. Heuer das vierzehnte Weihnachte­n ohne ihn. Mit ihm. Auch wenn unser Bruder Franz Gerrit nicht mehr da ist: Vier minus eins ist nicht drei. Wir sind vier.

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