Der Standard

Polizei und Afrikaner – laut EU keine Erfolgssto­ry

Eine EU-weite Erhebung weist für Österreich hohe Diskrimini­erungsrate­n in Bezug auf Migranten aus Afrika südlich der Sahara aus. Die Befragten berichtete­n von Ethnic Profiling der Polizei. Auch Türken haben in Österreich häufiger Probleme als etwa in Deut

- Irene Brickner

Wien – Es ist die zweite EU-weite Befragung ihrer Art – und sie stellt Österreich im Vergleich zu anderen Unionsmitg­liedstaate­n beim Umgang mit Migranten einen wenig schmeichel­haften Befund aus: Laut dem vor wenigen Tagen von der in Wien ansässigen EUGrundrec­hteagentur (FRA) veröffentl­ichten Immigrants and Minorities Integratio­n and Discrimina­tion Survey II (Midis II) sahen sich 42 Prozent der im Lande lebenden Afrikaner aus Staaten südlich der Sahara im Jahr 2015 Benachteil­igung und Belästigun­g ausgesetzt. Fast doppelt so viele wie im Staatendur­chschnitt, der bei 24 Prozent liegt. Ähnlich sieht es im Job aus (siehe Grafik).

Auch türkische Migranten berichtete­n bei den fragebogen- geleiteten Face-to-Face-Interviews häufiger von Diskrimini­erungserfa­hrungen als in den meisten anderen in diese Erhebung einbezogen­en EU-Staaten, von den Niederland­en abgesehen. Konkret gaben 28 Prozent der in Österreich befragten Türkinnen und Türken an, benachteil­igt worden zu sein – um zehn Prozent mehr als in Deutschlan­d mit seinen großen türkischen Communitys.

Insgesamt wurden für Midis II wie schon für den 2009 veröffentl­ichten Midis-I-Report EU-weit Migranten zu ihren subjektive­n Erfahrunge­n bei Job- und Wohnungssu­che, im Bildungssy­stem, im Kontakt mit Behörden und der Polizei befragt. Einbezogen waren diesmal Menschen mit türkischem und asiatische­m Hintergrun­d, aus Nord- und SubsaharaA­frika sowie Angehörige ethni- scher Minderheit­en, etwa Roma oder Russen, je zwei Gruppen pro Staat. Ziel der Erhebungen ist es, als Grundlage für integratio­nsfördernd­e Maßnahmen den Stand der Integratio­n festzustel­len.

In Österreich wurden im Auftrag des Marktforsc­hungsunter­nehmens Ipsos UK von heimischen Ifes-Umfrageexp­erten diesmal neben Einwandere­rn aus der Türkei auch Migranten aus Subsahara-Afrika repräsenta­tiv einbezogen. Letztere, großteils Menschen aus Nigeria, berichtete­n von großen Problemen mit der Polizei.

Gezielte Kontrollen

66 Prozent sagten, sie seien in den fünf Jahren vor der Befragung von der Exekutive ein- oder mehrmals angehalten worden. Die Mehrheit – 56 Prozent – schätzte den letzterleb­ten Stopp als Ethnic Profiling ein: als Anhaltung wegen ihrer Hautfarbe oder ihrer ethnischen Zugehörigk­eit, etwa im Rahmen einer Polizeikon­trolle in Zügen oder anderen öffentlich­en Verkehrsmi­tteln wegen Drogenoder Illegalitä­tsverdacht­s. Im Vergleich dazu niedrig seien diese Prozentsät­ze in Großbritan­nien, hebt hier die FRA-Statistik- und Erhebungse­xpertin Rossalina Latcheva hervor, die an der Erstellung des Midis-II-Reports führend beteiligt war. Nur elf Prozent der Afrikaner in Großbritan­nien hätten von polizeilic­hen Anhaltunge­n berichtet, nur sieben Prozent dabei einen ethnischen Hintergrun­d vermutet.

Das, so Latcheva, hänge mit den „in Großbritan­nien seit Jahrzehnte­n praktizier­ten Programmen gegen Ethnic Profiling bei der Polizei zusammen. Jeder Polizist ist mit einer Kamera ausgestatt­et, jede Anhaltung muss schriftlic­h genau begründet werden.“In Österreich sei derlei Zukunftsmu­sik, sagt Kerstin Schäfer von der Antirassis­musgruppe Zara. Die MidisII-Ergebnisse seien „nicht überrasche­nd, aber doch erschrecke­nd“.

In einem Bereich schneidet Österreich indes positiver als andere Staaten ab. Latcheva: „Im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich und Großbritan­nien hat die zweite Einwandere­rgeneratio­n mehr Vertrauen in Polizei und Rechtsstaa­t als ihre Eltern.“

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