Türkis-blaue Regierung Die neun designierten Mitglieder des türkis gefärbten ÖVP-Regierungsteams und die
Sebastian Kurz hatte die Wahl vom 15. Oktober zur Richtungsentscheidung ausgerufen – und am Wochenende klargestellt, wohin der Weg geht: Sein türkis-blaues Regierungsprogramm sei „die Basis für eine echte Veränderung“, sagte der 31-jährige ÖVP-Chef.
Sein Weg an die Spitze führte über die Junge ÖVP, in die er beim ersten Beitrittsversuch nicht einmal aufgenommen wurde. Dann stieg er zum Chef der VP-Teilorganisation auf und begann, sein Netzwerk zu knüpfen. Das brachte ihn erst in den Wiener Landtag – und schließlich mit nur 24 Jahren als Integrationsstaatssekretär in die Bundesregierung. Es war Michael Spindelegger, der das „politische Ausnahmetalent“(ÖVP-Sprachregelung) entdeckte und förderte. Durch den Rücktritt von Reinhold Mitterlehner an der Parteispitze kam der Aufstieg zum Kanzler schneller als geplant. (cs)
Bei der offiziellen Präsentation des ÖVP-Regierungsteams überragte er die anderen um mehr als einen Kopf: Heinz Faßmann, seit 2011 Vizerektor der Uni Wien und schon seit Sebastian Kurz’ Zeit als Staatssekretär für die rotschwarzen Vorgängerregierungen als Integrationsexperte tätig, wird von Beobachtern aus dem Unibereich zugetraut, dass der 2,07 Meter große Wissenschafter auch als Politiker eine große Nummer werden könnte. Kollegen beschreiben den 62-Jährigen als „kompetent, integer, umsichtig“. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen, um das neue Riesenressort, in dem der ideologieüberfrachtete Bildungsbereich, die fast ebenso leidenschaftlich umkämpfte Wissenschaft und, neu, auch die Kindergärten zusammengefasst sind, zu verantworten. Der gebürtige Deutsche, der 2000 von der TU München nach Wien kam, wo er übrigens sein Studium der Geografie sowie der Wirtschafts- und Sozialgeschichte absolviert hatte und später ein Jahrzehnt an der Akademie der Wissenschaften tätig war, speiste bisher vor allem seine fachliche Expertise als Vorsitzender des Expertenrats für Integration in die Regierungsarbeit ein. In dieser Funktion sprach sich der verheiratete Vater zweier Kinder, der in Perchtoldsdorf lebt, zum Beispiel dafür aus, Eltern, die Kinder am Schulbesuch hindern, mit Sanktionen zu versehen. Zudem warb er dafür, Lehrerinnen das Kopftuch zu verbieten. (nim)
Hier sitzen nur die engsten Vertrauten: im Kanzleramtsministerium. Der erste war Josef Ostermayer. Für ihn ist dieses Ressort auch im Jahr 2013 unter Kanzler Werner Faymann geschaffen worden. Christian Kern vertraute es dann Thomas Drozda an. Auf die Roten folgt nun ein Türkiser: ÖVP-Chef Sebastian Kurz holt seinen Freund, den Wiener ÖVPChef Gernot Blümel – Jahrgang 1981 –, an seine Seite. Man versteht sich, schätzt einander. Beide Politiker stammen aus Wien, beide kommen aus der Jungen ÖVP. Der studierte Philosoph übernimmt die Agenden für Medien, Kunst und Kultur, und er ist auch für die EU-Belange zuständig. (pm)
Es ist ein steiler Quereinstieg in die Politik, der von Listenplatz drei auf der steirischen Landesliste direkt in ein Ministeramt führte: Die Molekularbiologin Juliane Bogner-Strauß wird Ministerin für Frauen, Familie und Jugend. Die 46-jährige Steirerin ist verheiratet, Mutter von drei Kindern und seit 2014 assoziierte Professorin am Institut für Biochemie der TU Graz. Schon dort beschäftigte sie sich auch mit den Themen Vereinbarkeit von Karriere und Familie sowie Chancengleichheit in Führungspositionen. Studiert hat die gebürtige Leibnitzerin an der Uni Graz Chemie, auf die Promotion im Bereich Biochemie folgten Forschungsaufenthalte in den Niederlanden und den USA, 2008 die Habilitation für Molekularbiologie und Genomik. Bogner-Strauß’ Forschungsinteresse gilt der Adipogenese, der Entstehung von Fettzellen. (nim)
IKANZLERAMTSMINISTER Gernot Blümel hr Posten war Wunsch von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Er wollte im blauen Innenministerium ein türkises Staatssekretariat als Kontrollinstanz. Richterin Karoline Edtstadler, eigentlich sogar als Justizministerin im Gespräch, wird nun Herbert Kickls Aufpasserin.
Inhaltlich soll sich die 36-Jährige vor allem um Korruptionsagenden und das Gedenkwesen kümmern. Die Juristin pendelte zuletzt zwischen Straßburg (Frankreich), wo sie als Referentin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte tätig war, und Salzburg, wo ihr 16-jähriger Sohn die Schule besucht. Zuvor hat die Strafrichterin unter anderem im Kabinett von Justizminister Wolfgang Brandstetter gearbeitet.
Edtstadler gilt in der Kurz-ÖVP als bestens vernetzt. Erste politische Erfahrungen sammelte die Salzburgerin als Gemeinderätin in Henndorf am Wallersee. (mte)
Drei Karriereschritte in knapp acht Monaten: Das Jahr 2017 war wohl eines der rasantesten im Leben der Kärntner Bauerntochter Elisabeth Köstinger. Im Mai machte sie ÖVP-Chef Sebastian Kurz zur Generalsekretärin, im November nahm die 39-Jährige als Erste Nationalratspräsidentin im Parlament Platz – was sie nicht daran hinderte, weiterhin im Team der türkisen Regierungsverhandler zu sitzen. Und jetzt eben doch Ministerin: jene für Nachhaltigkeit nämlich. Konkret ist sie für die Themen Umwelt, Tourismus und Landwirtschaft zuständig.
Köstinger, die seit 2014 Parteivizechefin ist, kehrt damit zu ihren Wurzeln zurück. Acht Jahre lang war die Bauernbündlerin für die ÖVP als Europaabgeordnete aktiv, sie gilt als Expertin für Agrarmärkte.
Als hätte es die einstige Publizistikstudentin (Studium nicht abgeschlossen) geahnt: Einen möglichen Wechsel in das Regierungsteam wollte sie Anfang November nicht dementieren. Ob sie ihn auch aktiv angestrebt hat, ist nicht bekannt. (riss)
Sein Name war in all den Spekulationen um die Regierungsbildung kaum aufgetaucht: Hartwig Löger (52), ein im steirischen Selzthal geborener Versicherungsmanager, ist ein Quereinsteiger, der bisher mit Politik nichts zu tun hatte. Allenfalls an der Schnittstelle von Sport und Politik ist er als Präsident der parteiunabhängigen, aber stets von konservativen Funktionären geführten Sportunion aufgefallen. In diesem Verein war er 2014 Nachfolger von Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner.
Löger, der wie sein Entdecker Kurz kein Studium abgeschlossen hat, wollte eigentlich Militärpilot werden – eine Karriere, die er wegen einer schweren Knieverletzung aufgeben musste. Er wurde Versicherungsmakler und absolvierte nebenbei Universitätslehrgänge an der WU, auch einen internationalen Managementlehrgang an der Uni St. Gallen. Seine Karriere führte über den Verkaufsleiter Steiermark bei der Allianz Versicherung, den Vertriebsleiter bei der Donau Versicherung bis in die Geschäftsführung der Uniqa. Seit 2016 trägt er dort als Vorstandsvorsitzender die Gesamtverantwortung für rund 5000 Mitarbeiter, die 3,5 Millionen Kunden mit rund 9,9 Millionen Versicherungsverträgen betreuen. Am Montag wird er der 22. Finanzminister der Zweiten Republik. (cs)