Aus Österreich
Kanzler Christian Kern ist nur noch wenige Stunden in dieser Funktion – und stimmt sich und seine Parteigänger auf die Oppositionsrolle ein. „Wir müssen feststellen, dass in Rekordzeit alle Versprechungen über Bord geworfen wurden“, sagte der SPÖ-Vorsitzende. „Von den angekündigten Leuchttürmen bleibt nur ein Berg leerer Zigarettenschachteln.“Kern kündigte an, seine Oppositionsrolle als Partner der Zivilgesellschaft anlegen zu wollen. Gemeinsam könne man versuchen, „die größten Unsinnigkeiten“zu verhindern.
„Einige gute Ansätze in Wirtschaftsfragen“, aber wenig progressive Ideen ortet Neos-Chef Matthias Strolz im Regierungsprogramm. Angesichts der vielen Neulinge im Kabinett fordert er Minister-Hearings im Parlament. Und ganz unklar findet er die Haltung der Freiheitlichen zur EU: „Einerseits versichern sie, dass sie als aktiver und zuverlässiger Partner die EU weiterentwickeln wollen. Auf der anderen Seite nimmt, internationalen Medienberichten zufolge, ein EU-Abgeordneter der FPÖ an dem Treffen der rechtspopulistischen Fraktion ENF in Prag teil, bei dem das Ende der EU gefordert wird.“
Peter Kolba, Klubchef der Liste Pilz, kritisiert, dass mit Mario Kunasek ein „rechtsrechter FPÖPolitiker“mit Kontakten zu den rechtsextremen Identitären Verteidigungsminister wird. Der neue Kanzler Sebastian Kurz sei „Steigbügelhalter für Personen, die jedenfalls bislang durch eine extreme politische Haltung aufgefallen sind“.
Widersprüchliche Töne hört man aus der Industriellenvereinigung: Generalsekretär Christoph Neumayer zeigte sich am Samstag hocherfreut über die Ankündigungen, sie hätten „in ihrer Gesamtheit durchaus das Potenzial, dass Österreich in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Bereichen wieder zur Spitze der Industriestaaten aufschließen“könne. Ganz anders die Junge Industrie. Deren Chef Andreas Wimmer kritisierte am Sonntag, „dass die wirklich großen Brocken ausgelassen wurden. Ich hoffe nicht, dass es Teil eines neuen Stils ist, heikle Themen auszuklammern.“
Besorgte Gewerkschaft
Der ÖGB sieht dagegen die Wünsche der Industriellenvereinigung erfüllt. Generell enthalte der Pakt vieles, das nachteilig für die Arbeitnehmer ist, sagte ÖGBPräsident Erich Foglar. Foglar kritisiert, dass betriebliche Mitbestimmung unter dem Vorwand der Entbürokratisierung zurückgedrängt werden soll – wenn Arbeiter- und Angestelltenbetriebsrat in Unternehmen zusammengelegt werden, minimiere das die Zahl der (vor Kündigung geschützten) Betriebsräte.
Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske meint, wenn schon in den ersten Stunden Wirtschaft und Industrie dem Programm applaudierten, müsse sich die Regierung in Sachen Arbeitnehmerrechte fragen, „ob das Applaus von der richtigen Seite ist“. (cs, APA)