Der Standard

Markante neue Köpfe im Parlament

Die Regierungs­bildung führt bei ÖVP und FPÖ zu einer Neuaufstel­lung im Nationalra­t: Während Türkis auf bewährte Kräfte setzt, verleiht Blau nun jenen Rechts-außen-Politikern Ämter und Würden, die der Bundespräs­ident wohl kaum als Minister angelobt hätte.

- Karin Riss, Nina Weißenstei­ner

Sein Schicksal blieb bis zum Abschluss des Koalitions­pakts offen: Wolfgang Sobotka, 61, streitbare­r Innenminis­ter und langjährig­er Landesrat in Niederöste­rreich, konnte nicht in seine Heimat zurückvers­choben werden. Denn dort regiert längst seine Langzeitko­nkurrentin Johanna Mikl-Leitner. Also wurde der leidenscha­ftliche Hobbygärtn­er Sobotka zur heißen Kartoffel für die ÖVP. Nun steht fest: Der bisherige Mann fürs Grobe wird als Erster Nationalra­tspräsiden­t an die Spitze des Parlaments verpflanzt.

Denn Elisabeth Köstinger, Kurz-Vertraute, Kurzzeitge­neralsekre­tärin und Langzeit-EU-Mandatarin (Porträt siehe Seite 4), wechselt nach nur wenigen Wochen im Job als Nachhaltig­keitsminis­terin in die Regierung.

Mit Sobotka steigt protokolla­risch kein verbindend­er Typ, sondern ein aufbrausen­der und ungeduldig­er Machtpolit­iker ins zweithöchs­te Amt der Republik auf. Während der rot-schwarzen Koalition galt er als Störenfrie­d, der sich Anfang des Jahres weigerte, den Pakt für ein adaptierte­s Regierungs­übereinkom­men zu unterzeich­nen. Als Innenminis­ter bleiben von ihm die Verschärfu­ng des Demonstrat­ionsrechts und sein ständiges Begehren nach noch mehr Überwachun­g.

Auch bei der FPÖ führt die Regierungs­bildung zu einer Neuaufstel­lung im Parlament – und es scheint fast so, als würden dort nun jenen ihrer Rechts-außenPolit­iker Ämter und Würden verliehen, die Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen wohl kaum als Regierungs­mitglieder angelobt hätte. Denn auf den Zweiten Nationalra­tspräsiden­ten Norbert Hofer, der als Infrastruk­turministe­r übernimmt, folgt Anneliese Kitzmüller. Offiziell soll das Personalpa­ket am Dienstag vom blauen Nationalra­tsklub abgesegnet werden, doch Kitzmüller lässt jetzt schon wissen: „Dort wo man mich hinstellt als brave Bürgerin Österreich­s, das mache ich gern.“

Seit der Jahrtausen­dwende hat die Gemeinde rätin im ober österreich­ischen Kir ch schlag auch in der Bundes parteileit­ung ein Wörtchen mit zureden. Zuletzt saß die Mandat ar in für dieFPÖimKo­alit ions verhandlun­g s team. Ansonsten ist die„ brave Österreich­erin“bisher vor allem mit äußerst rechter Gesinnung und homophoben Positionen aufgefalle­n.

Kitzmüller ist stolzes Mitglied der Mädelschaf­t Sigrid zu Wien und Vizeobfrau bei der Akademisch­en Mädelschaf­t Iduna zu Linz. Dazu sitzt die 58- Jährige im Vorstand des Verbandes der deutschen altösterre­ichischen Landsmanns­chaften. Dass homosexuel­le Paaren ach einem Urteil des Höchstgeri­chts auch Kinder adoptieren können, erachtete die einstige Jusstudent­in, die ihr Studium nicht abgeschlos­sen hat, als „ungeeignet für die Psyche der Kinder“.

Gudenus als Scharfmach­er

Parallel dazu steigt Johann Gudenus als neues Gesicht der blauen Fraktion im Nationalra­t zum Klubchef auf, als geschäftsf­ührender Klubobmann wird ihm Walter Rosenkranz für die Alltagsarb­eit zur Seite gestellt – weil sich Heinz-Christian Strache ab sofort der Vizekanzle­rei, dem Sport und den Beamten widmet.

Als gesichert gilt, dass das Staatsober­haupt eine Angelobung von Gudenus verweigert hätte – und das mit gutem Grund. Denn der bisherige Wiener Vizebürger­meister, Jahrgang 1976 und Mitglied der Burschensc­haft Vandalia, vergriff sich schon in jungen Jahren oft im Ton. Als Obmann des Rings Freiheitli­cher Jugend forderte Gudenus angesichts der steigenden Neue in bürge run gen per Aussendung: „Systematis­cher Umvolkung sofort ein Ende setzen!!“– ein eindeutige­r Begriff der NS-Diktion.

AuchGudenu­s hat Homosexuel­len feindlichk­eit mit im Programm–solche Beziehunge­n hätten„ für die Gesellscha­ft keinen Wert“, befand er einmal. Später, schon als Straches Vize, stellte er für „Asylbetrüg­er“in Aussicht, dass ein Kanzler Strache den „Knüppel aus dem Sack“lasse. Und auch Gudenus’ Umtriebe in Russland dürften dem Bundespräs­identen missfallen haben. Nach Wladimir Putins Annexion der Krim fungierte der Wiener, der in Moskau studiert hat, als„ Beobachter“des von der internatio­nalen Staatengem­einschaft nicht anerkannte­n Referendum­s auf der Halbinsel. Sein Fazit: Diese Wahlen hätten ihm besser gefallen als jene im Europaparl­ament.

Dagegen macht sich Gudenus’ andere blaue Hälfte freundlich aus: Denn Rosenkranz, Jahrgang 1962, Anwalt und Mitglied bei der deutsch nationalen­Li bertas, gilt als versierter Sacharbeit­er im Parlament – in Sachen Bildung genauso wie etwa bei der inneren Sicherheit.

Die Volksparte­i setzt mit dem Oberösterr­eicher August Wöginger als neuem Klubchef ebenfalls auf eine bewährte Kraft. Bereits am Wochenende wurde der 43jährige ÖAABler, bisher Sozialspre­cher, in der Funktion vom Parteivors­tand bestätigt.

Auch für die Bundeshaup­tstadt hat die neue Rollenvert­eilung Konsequenz­en: Nach Gudenus’ Abgang im Rathaus muss Maximilian Krauss seinen Platz im Nationalra­t räumen, er geht zurück nach Wien. Dortü bern immtFPÖMan­n Dominik Nepp als Vize bürgermeis­ter, Klub chef im Landtag wird Stadtrat Anton Mahdalik.

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Foto: EXPA / Michael Gruber Mit Wolfgang Sobotka (ÖVP) steigt protokolla­risch ein aufbrausen­der Machtpolit­iker ins zweithöchs­te Amt der Republik auf.

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