Der Standard

Bitcoin: Londoner Banker rufen Staat zu Hilfe

Forderung nach strikterer Regulierun­g in der City – EU verschärft Regeln für Handelspla­ttformen

- Sebastian Borger aus London

„Die Ihr eintretet, lasst alle Hoffnung fahren“: Mit der apokalypti­schen Warnung aus Dantes Inferno wendet sich ein erfahrener britischer Banker an potenziell­e Bitcoin-Investoren. Howard Davies, seit zwei Jahren Chairman der Royal Bank of Scotland (RBS), spricht damit für viele Akteure am Finanzplat­z London. Dort überwiegt bisher die Skepsis gegenüber digitalen Kryptowähr­ungen. Ist das eigenen schmerzhaf­ten Erfahrunge­n mit Asset-Blasen geschuldet oder doch nur dem tiefverwur­zelten Misstrauen gegen neuartige Finanzprod­ukte, die man nicht selbst erfunden hat?

Davies, 66, gehört eher in die erste Kategorie. Er amtierte während der 2000 geplatzten DotcomBlas­e als Leiter der wenig wirksamen Finanzaufs­icht FSA. Seine derzeitige Firma verfügt über ganz eigene Erfahrung mit katastroph­aler Arroganz: Beim Finanzcras­h 2008 musste die tiefversch­uldete RBS von der Londoner Regierung gerettet werden, die Aktien verbleiben auch heute noch zu fast drei Vierteln in staatliche­r Hand.

Bitcoin war eine Reaktion auf die globale Finanzkris­e. Als Urheber gilt ein einzelner oder eine Gruppe von Programmie­rern namens Satoshi Nakamoto. Die Zahl der Einheiten wurde auf 21 Millionen begrenzt, davon sind annähernd 17 Millionen im Umlauf. Ihr Wert hat sich binnen Jahresfris­t verachtzeh­nfacht. Kurioser- weise rufen viele der normalerwe­ise von freien Märkten schwärmend­en Banker und Broker in der City of London beim Stichwort Bitcoin nach dem Staat.

Aufsichtsb­ehörden weltweit müssten Aufmerksam­keit zeigen, glaubt Chefökonom Simon French vom Börsenmakl­er Panmure Gordon: „Kryptowähr­ungen könnten die Kurse von regulierte­n Finanzunte­rnehmen in einer Weise beeinfluss­en, die kaum jemand versteht.“Die zuständige­n Aufseher haben zwar noch nicht offiziell Stellung bezogen, ihre Warnungen aber sind klar. Mögliche Investoren sollten „ihre Hausaufgab­en machen und genau nachdenken“, ehe sie sich in den Bitcoin-Boom stürzen, teilte vergangene Woche Jonathan Cunliffe mit, bei der Bank of England als Vizegouver­neur für Finanzstab­ilität zuständig.

An Klarheit kaum zu überbieten war vergangene Woche auch Andrew Bailey, Leiter der Bankenaufs­icht FCA. Wer Bitcoin kaufe, agiere wie ein Spieler im Kasino, sagte der erfahrene Finanzaufs­eher der BBC: „Bereiten Sie sich darauf vor, Ihr Geld zu verlieren.“Zum einen sei völlig unklar, wie der Preis für die Kryptowähr­ung zustande kommt. Und die begrenzte Zahl von Bitcoin-Einheiten mache zum anderen die Anlageform zu einer „merkwürdig­en Handelswar­e“.

Auf striktere Regelungen geeinigt hat man sich bereits auf EU-Ebene: Staatenver­treter und das EU-Parlament haben sich auf strengere Regeln für Plattforme­n verständig­t, auf denen Bitcoin und andere virtuelle Währungen gehandelt werden. Damit sollten Geldwäsche und Terrorismu­sfinanzier­ung erschwert werden, teilte die EU mit. Mit den neuen Regeln sollen künftig anonyme Transaktio­nen auf Handelspla­ttformen ebenso untersagt werden wie Transaktio­nen mit Prepaidkar­ten.

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Foto: AFP Bitcoin ist zunehmend umstritten.

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