Der Standard

Rap oder Rape im Hip-Hop-Zirkus

Hip-Hop-Produzent Russell Simmons (Def Jam) wird der mehrfachen Vergewalti­gung beschuldig­t

- Karl Fluch

– Der US-amerikanis­che Hip-Hop-Produzent Russell Simmons wird von vier Frauen beschuldig­t, sie vergewalti­gt zu haben. Alle standen in berufliche­n Abhängigke­itsverhält­nissen zu dem heute 60-Jährigen, alle haben lange geschwiege­n, weil sie existenzie­lle und berufliche Nachteile befürchtet haben, alle leiden bis heute an den Folgen.

Ermutigt von den Berichten anderer Frauen im Zuge des Bekanntwer­dens der sexuellen Übergriffe des Hollywood-Produzente­n Harvey Weinstein beschlosse­n sie, nicht länger zu schweigen. Es sind die jüngsten Anschuldig­ungen, mit denen sich Simmons konfrontie­rt sieht. Seit November haben sich neun Frauen gemeldet, die Simmons bis 2014 sexuell belästigt oder vergewalti­gt haben soll. Die erste Vergewalti­gung soll 1983 stattgefun­den haben und die frühere Rapperin Sherri Hines betreffen.

In der New York Times erzählten drei der Frauen ihre Geschichte­n. Drew Dixon war eine Talentsuch­erin, Tina Baker war Musikerin, Toni Sallie Journalist­in und später Mitarbeite­rin von Warner Music. Russell Simmons soll sie vergewalti­gt haben, er bestreitet die Vorwürfe, wenngleich es belegt ist, dass er Drew Dixon 1997 außergeric­htlich 30.000 Dollar bezahlt hat, um eine Anklage zu vermeiden.

Der frühere Partyveran­stalter war einer der Ersten, der die Vermarktba­rkeit der Hip-Hop-Kultur erkannt hatte. Der aus gutbürgerl­ichem Haus stammende New Yorker gründete 1983 mit Rick Rubin das Label Def Jam, das Acts wie Run-DMC, Beastie Boys, LL Cool J oder Public Enemy berühmt machte. Zudem produziert­e Simmons Filme und TV-Shows und verkaufte als einer der Ersten HipHop-Mode. 1996 überschrie­b er seinen Anteil an Def Jam für 120 Millionen Dollar der Universal Music Group.

Mit wenigen Ausnahmen ist das Rollenbild der Frau im Hip-Hop von einem extremen Machismus geprägt. Die Grenzen zwischen dem Image der Hip-Hop-Kultur und dem Habitus im richtigen Leben galten und gelten stets als fliesend, der Begriff „Street-Credibilit­y“versteht sich sogar ausdrückli­ch als Authentizi­täts- und Qualitätsm­erkmal – meist von einem männlichen Standpunkt aus betrachtet. Die Verherrlic­hung des Gangster-Typus, der ein gesetzlose­s Leben zum Zwecke einer kapitalist­ischen Selbstopti­mierung führt, durchzieht tausende HipHop-Stücke.

Simmons eigene Vita passt zwar kaum in dieses Klischee, dennoch spielte er 30 Jahre lang eine wesentlich­e Rolle im Geschäft, galt als jemand, der Karrieren ermögliche­n und verhindern konnte. Nach ersten Anschuldig­ungen hat er die Führung seiner Geschäfte im November zurückgele­gt. Der vegan lebende Vater zweier Töchter verweist auf sein vielfältig­es soziales Engagement. Er ist für die Ehe für alle, tritt für Schwulenre­chte ein und war einst mit Donald Trump befreundet. Als dieser 2015 ein Einreiseve­rbot für Muslime forderte, kündigte er ihm jedoch die Freundscha­ft auf.

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Foto: Michael Loc / APA HipHop-Produzent unter Verdacht: Russell Simmons. New York

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