Zwischen Albtraum und Traumlauf
Während der Norweger Aksel Lund Svindal mit dem Abfahrtssieg in Gröden einmal mehr Geschichte schrieb, bezeichnet der österreichische Athletensprecher Hannes Reichelt die hauchdünnen Rennanzüge als „Witz“.
Als sich Aksel Lund Svindal am Samstag mit einem Traumlauf auf bemerkenswerte Weise zurückgemeldet hatte, tobten selbst die Tifosi im Ziel der Saslong. Der Norweger gewann den Abfahrtsklassiker in Gröden vor Landsmann Kjetil Jansrud (0,59) und Max Franz (0,85). War der mittlerweile 34-fache Weltcupsieger am Freitag im Super-G nur Neunter, deklassierte er tags darauf die Konkurrenz, obwohl er wegen anhaltender Kniebeschwerden das Training stark zurückschrauben und im Rennen auf Schmerzstiller zurückgreifen musste. Es war der sechste Erfolg von Svindal im Grödner Tal. Die Abfahrt hatte er 2015 für sich entschieden, viermal konnte er den Super-G (2009, 2012, 2013, 2015) gewinnen.
Neben der überbordenden Begeisterung um den Norweger gibt es aber auch Zores. Wurde zuletzt viel über die Sicherung der Abfahrtsstrecken diskutiert, so dreht es sich nun um den Rennanzug. Aerodynamisch hoch entwickelt, in Sachen Schutz vor äußeren Ein- wirkungen im Falle eines Sturzes bei hohem Tempo praktisch nutzlos. Deshalb fordern Abfahrer wie Matthias Mayer oder Athletensprecher Hannes Reichelt eine Adaptierung dieser zweiten Haut an in anderen Hochgeschwindigkeitssportarten längst übliche Standards.
Ungeschützt
„Wir fahren mit einer sehr dünnen Haut. Das ist ein Witz. So sind wir komplett ungeschützt“, prangert Reichelt an. Der Rennanzug müsse dicker sein, man solle sich in Richtung Motorradanzug orientieren. „Das Einzige, was wir haben, ist ein Rückenprotektor und ein bissl was bei den Knien“, so Reichelt, der sich die Raserei wie die Norweger ohne Airbag gibt. „Ich glaube, dass er aerodynamisch ein Nachteil ist, und außerdem kriege ich auch sehr schlecht Luft.“Wenn, dann müsse dieser von der Fis verpflichtend vorgeschrieben werden, dann wären die Verhältnisse für alle gleich.
Reichelt nimmt sich kein Blatt vor den Mund: „Es wird langsam Zeit, dass die Fis etwas unter- nimmt.“Nicht nur beim Thema Airbag, sondern auch punkto zusätzlicher Protektoren. Den Stillstand in dieser Causa begründet Reichelt so: „Weil die falschen Leute dort sitzen, die das zu entscheiden haben.“Er wisse, wie die Mühlen mahlen, und es sei mühsam. Als er von den Kollegen zum Athletensprecher gewählt wurde, habe er gedacht, dass er etwas verändern könne. „Aber da läuft man gegen eine Wand.“
Der 37-Jährige vermutet, dass ein Änderungsprozess verschiedene Gremien durchlaufen müsse und es letztlich oft so sei, dass „jeder seinen Job verteidigen und sich keiner die Finger verbrennen möchte. Ich habe keinen Job zu verteidigen, darum kann ich so offen darüber sprechen. Wenn sie mich nicht mehr wollen, dann bin ich weg. Das täte mir nicht weh, weil der Job als Athletensprecher relativ viel Arbeit ist.“
Auch Mayer würde es begrüßen, sollte sich in puncto Verstärkung der Rennanzüge etwas bewegen. Und er verweist dabei auch auf Motorradkombis. Außerdem würde er einen Schutz des Nackenbereichs begrüßen, was aber in Kombination mit dem Helm geschehen müsse. Er vermutet aber, dass dies nicht von heute auf mor- gen gehe und es außerdem einer ständigen Weiterentwicklung bedürfe. Dazu brauche es wohl eine eigene Abteilung, die sich mit dieser Materie beschäftigt.
Fis-Renndirektor Markus Waldner: „Klar, der Skisport ist gefährlich, wenn man mit 140 Sachen und einem so dünnen Anzug über eine eisige Piste rast.“Man könnte Schützer verwenden, das wäre eine super Sache, aber dann müssten sich die Abfahrer wie American Footballer anziehen. „Das können wir nicht von heute auf morgen machen. Ein Restrisiko bleibt.“ÖSV-Abfahrtstrainer Josef Brunner gibt zu bedenken, dass ein verstärkter Anzug die Sache nicht unbedingt sicherer mache: „Wer ins Netz fliegt, hat durch einen dickeren Anzug keinen Vorteil.“Der 59Jährige wünscht sich von der Fis ein Machtwort dahingehend, dass die Sicherheit vorgehen müsse und dass zunächst einmal das Tragen eines Airbags vorgeschrieben werden soll. „Solange das nicht passiert, werden ihn nicht alle verwenden. Ein paar haben einen Vertrag mit dem Ausstatter, andere nicht. Wenn er nicht verpflichtend ist, sieht der eine oder andere einen Vorteil oder fühlt sich wohler, wenn er keinen verwendet.“