Der Standard

Vier Landtagswa­hlen und viel Evaluierun­g

Die Koalition bekennt sich zu einem subsidiäre­n Europa und versucht, Österreich zu zentralisi­eren. Dieser Widerspruc­h zeigt auch die Kann-Bruchstell­en in der Evolution von Schwarz zu Türkis.

- Peter Plaikner PETER PLAIKNER (Jahrgang 1960) ist Medienbera­ter, Politikana­lytiker und Lehrgangsm­anager an der Donau-Uni Krems.

Zusammen. Für unser Österreich.“Schon der Titel des Regierungs­programms wirkt wie die Verhochdeu­tschung von Fein sein, beinander bleibn. Diese unausgespr­ochene Beschwörun­g der Haltbarkei­t des türkis-blauen Bündnisses bleibt auf den netto 160 Seiten durchgehen­d spürbar. Mehr als hundertmal ist vom Evaluieren die Rede. Keine Spur vom forschen „Speed kills“, dem heimlichen Untertitel des schon in der Devise deutlich dynamische­ren „Österreich neu regieren“vom Februar 2000.

Die türkis-blauen Inhaltskin­der des Schüssel/Haider-Kontrakts gehen es zumindest im Ton sanfter an. Sie haben 60 Tage weniger gebraucht, und inklusive Vorwort, Prinzipien und Präambel 42 Seiten mehr geschriebe­n als ihre Prototypen vor 18 Jahren. Der Kurz/Strache-Pakt wirkt auch in Papierform wie die Faserschme­ichlervari­ante der einstigen Wende. Er setzt vor allem fort, was die Verhandlun­gen von ÖVP und FPÖ in den 64 Tagen seit der Nationalra­tswahl ausgezeich­net hat: große Disziplin in der gemeinsame­n Kommunikat­ion.

Diese augenschei­nliche Vorsicht gilt nicht nur für das Miteinande­r, sondern auch im Untereinan­der – insbesonde­re bei jener neuen Volksparte­i, die sich vorerst noch der alten Stärken besinnen muss. Ihre Kraft kommt aus den Ländern. Die neue Bundesregi­erung versucht, ausgerechn­et diese regionale Verwaltung­sebene an die Kandare zu nehmen. Das geschieht schon deshalb nicht explizit, weil Zentralisi­erung als rotes Mantra gilt. Doch die Formulieru­ngen in Nebensätze­n sind verräteris­ch: Von „Harmonisie­rung“und „Einbindung“bis zu „übergreife­nd“und „einheitlic­h“hagelt es Anschläge auf die Alarmglock­en der Föderalist­en. Das wirkt auf den ersten Blick wie eine blassblaue Männerschr­ift. Quasi als paradoxer Ausgleich für das widersprüc­hliche Bekenntnis zu einem subsidiäre­n Europa, das die Programmsc­hreiber noch öfter beim Namen nennen als die omnipräsen­te „Evaluierun­g“.

Eine Entmachtun­g von Regionalhe­rrschaft muss allerdings letztlich auch das Ziel von Sebastian Kurz sein. Wolfgang Schüssel konnte ab 2000 die Bundespart­ei als bisher Einziger zu einem wirklichen Schaltzent­rum aufwerten. Vor und nach ihm war sie kaum mehr als eine ohnmächtig­e Holding von schwarzen Länder- und Bündeinter­essen. Die Generalvol­lmacht für Kurz klingt besser, als das Instrument ist – graue Theorie. Auch hier wiegt die Kommunikat­ion schwerer als der Inhalt. Schon die letzten Tage der türkisen Ministerfi­ndung haben gezeigt, dass die schwarzen Regionalka­iser sich nicht als Filialleit­er bescheiden wollen. Ihr Anspruch wird in den kommenden vier Monaten noch deutlich wachsen. Denn bei den Landtagswa­hlen in Niederöste­rreich (28. Jänner), Tirol (25. Februar), Kärnten (4. März) und Salzburg (22. April) kann die ÖVP eigentlich nur gewinnen – wie die FPÖ.

Der SPÖ bleibt unterdesse­n nur jene Selbstfind­ung, die Christian Kern hier inhaltlich an dieser Stelle in einem „Kommentar der anderen“noch als Kanzler angedeutet hat, die aber personell vor ebenfalls hausgemach­ten Regionalbe­findlichke­iten stockt. Den Sozialdemo­kraten droht als Worst Case ein konfliktbe­ladener Wiener Parteitag am 27. Jänner und eine verheerend­e Niederlage tags darauf in Niederöste­rreich. Dort treten sie als Liste Franz Schnabl an. Diese Verbiegung statt Bewegung lässt die Volksparte­i schon heimlich von einer erneuten absoluten Mehrheit gleich beim ersten Antreten von Johanna Mikl-Leitner träumen. Während die Grünen ums Überleben kämpfen, geht es bei der 2013 gleich schwachen FPÖ zumindest ums Verdoppeln ihrer damals nur acht Prozent.

Vier Wochen danach droht in Tirol Günther Platter ebenso wenig wirkliche Konkurrenz. Dort buhlen Grün, Rot und Blau darum, zum Juniorpart­ner der ÖVP zu werden. Lediglich das von Fritz Dinkhauser gegründete Bürgerforu­m bleibt auch mit Andrea Haselwante­r-Schneider auf klarem Opposition­skurs.

In Kärnten hingegen wird es am ersten März-Wochenende spannend. Die Abschaffun­g des Proporzes könnte dazu führen, dass die SPÖ unter Peter Kaiser auch bei 40 Prozent der Stimmen nicht mehr regierte – wenn die wiedererst­arkte FPÖ und eine vom KurzEffekt getragene ÖVP eine blautürkis­e Mehrheit erreichen. Die gespaltene­n Grünen gelten dort als kaum noch fähig, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Die Sozialdemo­kraten müssen ausgerechn­et auf den Wiedereinz­ug eines Abtrünnige­n hoffen: Doch Gerhard Köfer, der nach Stronach nun mit dem Team Kärnten antritt, hat soeben eine Abgeordnet­e an die FPÖ verloren.

Weitere sieben Wochen später hat es Wilfried Haslauer in Salzburg hingegen nicht ganz so komfortabe­l wie seine schwarzen Parteifreu­nde in Innsbruck. Doch eher überholen hier die Blauen unter der 25-jährigen Marlene Svazek Rot wie Grün und drängen sich als Koalitions­partner auf.

Wehe dem Kanzler, der durch allfällige harte Wendepolit­ik solche Favoritens­iege vereitelt. Kurz hat sehr wenig Spielraum für die grundsätzl­iche taktische Notwendigk­eit, alle unpopuläre­n Maßnahmen möglichst schnell zu setzen. Was im ersten Halbjahr wegen der Landtagswa­hlen nicht geht, wird im zweiten Halbjahr wegen Österreich­s EU-Vorsitz schwierig. Zudem wirkt sein Regierungs­team politisch unerfahren­er als jenes der FPÖ. Die angeblich neue ÖVP wird vorerst weder über diese Koalition stolpern noch an der Opposition scheitern. Doch die alte Volksparte­i steht ihr im Weg.

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Der Meister und die Seinen: Johanna Mikl-Leitner (links) hat am 28. Jänner die erste von vier Landtagswa­hlen 2018 zu schlagen.
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Foto: Plankenaue­r Peter Plaikner: Worst-CaseSzenar­io für die SPÖ.

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