Der Standard

Bildung und Wissenscha­ft

Schüler: Bekommen wieder Noten Lehrer: Werden verbal beurteilt Studierend­e: Müssen wieder zahlen ÖH: Kommt an die Kandare Unis: Könnten fusioniert werden

- Lisa Nimmervoll

Es könnte als kleine Ironie im türkis-blauen Bildungska­pitel gelesen werden, dass ÖVP und FPÖ in den Schulen zwar wieder eine „klare fünfteilig­e Notenskala für alle Schultypen“verordnen wollen – inklusive einer „genauen Definition, welche Note vergeben werden kann bzw. muss“(verbale Anmerkunge­n sind weiter zusätzlich erlaubt), dass aber im Gegenzug eine „flächendec­kende Einführung eines anonymisie­rten 360-Grad-Feedbacks durch Schüler an Lehrer als Basis für Mitarbeite­rgespräche“geplant ist – quasi eine verbale Beurteilun­g durch die Schüler, und, so ist zu erwarten, ein Punkt, den die Lehrergewe­rkschaft nicht kampflos hinnehmen wird.

Auf knapp neun Seiten findet sich gleich am Beginn ein klares Bekenntnis zum differenzi­erten Schulsyste­m, denn dieses entspreche strukturel­l den unterschie­dlichen Talenten und Interessen der Kinder. Die Sonderschu­len sollen erhalten bleiben, die sonderpäda­gogische Ausbildung soll wieder installier­t werden – was viele betroffene Eltern und Lehrende begrüßen werden. Ethikunter­richt wird nach 20 Jahren als Schulversu­ch ins Regelsyste­m übernommen – verpflicht­end für jene Kinder, die nicht am konfession­ellen Religionsu­nterricht teilnehmen.

Von der Vorgängerr­egierung zwar geplant, soll nun tatsächlic­h ein zweites verpflicht­endes Kindergart­enjahr „für jene, die das brauchen“, kommen. Stärker reguliert wird sowohl der Schulanfan­g als auch das Schulende. Wer nicht gut genug Deutsch kann, muss in die Vorschule oder in eigenen Deutschkla­ssen die Sprache büffeln. Und neun abgesessen­e Pflichtsch­uljahre werden künftig nicht reichen, um die Schule zu verlassen – wie von der Pisa-Studie bestätigt, jetzt oft nur teilalphab­etisiert. Wer die neue „Bildungspf­licht“erfüllen will, muss in Zukunft bestimmte Kernkompet­enzen „nachweisli­ch beherrsche­n“. Prüfen will die Regierung auch die Bindung von Sozialleis­tungen an die Einhaltung (schul)gesetzlich­er Pflichten.

Im Wissenscha­ftskapitel, das auf sieben Seiten abgehandel­t wird, fällt die gewünschte De-facto-Entpolitis­ierung der ÖH ins Auge. Die Hochschüle­rschaft soll also an die Kandare genommen werden, oder, so steht es im Regierungs­programm, „im Sinne der Verbesseru­ng des Services für Studierend­e“soll „ihr gesetzlich­er Auftrag stärker konkretisi­ert werden“, indem die Geldmittel „ausschließ­lich für Aufgaben der Beratung und Interessen­vertretung von Studierend­en verwendet werden können“. Parallel dazu will TürkisBlau mehr „Kontroll- und Sanktionsm­öglichkeit­en“.

Bereits im Vorfeld bekannt war, dass ÖVP und FPÖ wieder „moderate Studienbei­träge“(noch ohne Nennung eines konkreten Betrags) einführen wollen – sekundiert u. a. von einem leistungso­rientierte­n Bildungssc­heck (Voraussetz­ung: fünfjährig­er Aufenthalt in Österreich), nachträgli­cher steuerlich­er Absetzbark­eit, ausgeweite­tem Studienzus­chuss und der Berücksich­tigung der Lebensumst­ände (Geschwiste­r in Ausbildung, Betreuungs­pflichten etc.). Das Projekt einer kapazitäts­orientiert­en Unifinanzi­erung konnte von der rot-schwarzen Vorgängerr­egierung volley übernommen werden und ist etwas, auf das die Rektorinne­n und Rektoren schon lange warten.

Türkis-Blau will das Studienrec­ht reformiere­n und die „Lehr-, Lern- und Prüfungsku­ltur“weiterentw­ickeln, vor allem mehr Verbindlic­hkeit ins System bringen. Das könnte gravierend­e Neuerungen bringen. So soll etwa die „Festlegung maximaler Studiendau­ern“geprüft werden, auch die von der Universitä­tenkonfere­nz kritisiert­en vielen Prüfungsan­tritte stehen zur Dispositio­n. Im Gegenzug sollen aber auch „Verschulun­gstendenze­n“an den Unis vermieden und mehr Wahlfächer ermöglicht werden. Ob es nach fünf Jahren Türkis-Blau noch immer 21 öffentlich­e Unis geben wird, ist offen, zumal „Standortop­timierunge­n bis hin zu möglichen Zusammenle­gungen von Hochschule­n geprüft werden“.

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