Bildung und Wissenschaft
Schüler: Bekommen wieder Noten Lehrer: Werden verbal beurteilt Studierende: Müssen wieder zahlen ÖH: Kommt an die Kandare Unis: Könnten fusioniert werden
Es könnte als kleine Ironie im türkis-blauen Bildungskapitel gelesen werden, dass ÖVP und FPÖ in den Schulen zwar wieder eine „klare fünfteilige Notenskala für alle Schultypen“verordnen wollen – inklusive einer „genauen Definition, welche Note vergeben werden kann bzw. muss“(verbale Anmerkungen sind weiter zusätzlich erlaubt), dass aber im Gegenzug eine „flächendeckende Einführung eines anonymisierten 360-Grad-Feedbacks durch Schüler an Lehrer als Basis für Mitarbeitergespräche“geplant ist – quasi eine verbale Beurteilung durch die Schüler, und, so ist zu erwarten, ein Punkt, den die Lehrergewerkschaft nicht kampflos hinnehmen wird.
Auf knapp neun Seiten findet sich gleich am Beginn ein klares Bekenntnis zum differenzierten Schulsystem, denn dieses entspreche strukturell den unterschiedlichen Talenten und Interessen der Kinder. Die Sonderschulen sollen erhalten bleiben, die sonderpädagogische Ausbildung soll wieder installiert werden – was viele betroffene Eltern und Lehrende begrüßen werden. Ethikunterricht wird nach 20 Jahren als Schulversuch ins Regelsystem übernommen – verpflichtend für jene Kinder, die nicht am konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen.
Von der Vorgängerregierung zwar geplant, soll nun tatsächlich ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr „für jene, die das brauchen“, kommen. Stärker reguliert wird sowohl der Schulanfang als auch das Schulende. Wer nicht gut genug Deutsch kann, muss in die Vorschule oder in eigenen Deutschklassen die Sprache büffeln. Und neun abgesessene Pflichtschuljahre werden künftig nicht reichen, um die Schule zu verlassen – wie von der Pisa-Studie bestätigt, jetzt oft nur teilalphabetisiert. Wer die neue „Bildungspflicht“erfüllen will, muss in Zukunft bestimmte Kernkompetenzen „nachweislich beherrschen“. Prüfen will die Regierung auch die Bindung von Sozialleistungen an die Einhaltung (schul)gesetzlicher Pflichten.
Im Wissenschaftskapitel, das auf sieben Seiten abgehandelt wird, fällt die gewünschte De-facto-Entpolitisierung der ÖH ins Auge. Die Hochschülerschaft soll also an die Kandare genommen werden, oder, so steht es im Regierungsprogramm, „im Sinne der Verbesserung des Services für Studierende“soll „ihr gesetzlicher Auftrag stärker konkretisiert werden“, indem die Geldmittel „ausschließlich für Aufgaben der Beratung und Interessenvertretung von Studierenden verwendet werden können“. Parallel dazu will TürkisBlau mehr „Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten“.
Bereits im Vorfeld bekannt war, dass ÖVP und FPÖ wieder „moderate Studienbeiträge“(noch ohne Nennung eines konkreten Betrags) einführen wollen – sekundiert u. a. von einem leistungsorientierten Bildungsscheck (Voraussetzung: fünfjähriger Aufenthalt in Österreich), nachträglicher steuerlicher Absetzbarkeit, ausgeweitetem Studienzuschuss und der Berücksichtigung der Lebensumstände (Geschwister in Ausbildung, Betreuungspflichten etc.). Das Projekt einer kapazitätsorientierten Unifinanzierung konnte von der rot-schwarzen Vorgängerregierung volley übernommen werden und ist etwas, auf das die Rektorinnen und Rektoren schon lange warten.
Türkis-Blau will das Studienrecht reformieren und die „Lehr-, Lern- und Prüfungskultur“weiterentwickeln, vor allem mehr Verbindlichkeit ins System bringen. Das könnte gravierende Neuerungen bringen. So soll etwa die „Festlegung maximaler Studiendauern“geprüft werden, auch die von der Universitätenkonferenz kritisierten vielen Prüfungsantritte stehen zur Disposition. Im Gegenzug sollen aber auch „Verschulungstendenzen“an den Unis vermieden und mehr Wahlfächer ermöglicht werden. Ob es nach fünf Jahren Türkis-Blau noch immer 21 öffentliche Unis geben wird, ist offen, zumal „Standortoptimierungen bis hin zu möglichen Zusammenlegungen von Hochschulen geprüft werden“.