Der Standard

Europa und Außenpolit­ik

EU: „Fehlentwic­klungen“sollen korrigiert werden Türkei: Verbündete für Abbruch der EU-Verhandlun­gen gesucht Russland: Gegen Sanktionen

- Manuela Honsig-Erlenburg

Präsident Alexander Van der Bellen hatte es dringlich eingemahnt, im Regierungs­programm wird es berücksich­tigt: das Bekenntnis zur Europäisch­en Union. Von Öxit also keine Spur, trotzdem wird als oberstes Ziel der EU- und Außenpolit­ik im Regierungs­programm die Wahrung der Interessen Österreich­s als Maßstab genannt. „Austria first“, könnte man zugespitzt formuliere­n. Konkret bekennt sich das Regierungs­programm zum vierten Szenario des Weißbuches von Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker: „Weniger, aber effiziente­r“. Die wichtigste­n EU-Agenden zieht Kurz ja ohnehin vom Außenminis­terium in das Kanzleramt. Von dort aus soll die „aktive“Mitgestalt­ung in der EU, so das zweitgenan­nte Ziel, nach dem „Grundsatz der Subsidiari­tät“erfolgen. Ein Prinzip, das bereits im Jahr 1997 im Vertrag von Amsterdam festgeschr­ieben wurde.

Die EU-Thematik wird die neue Regierung ja schon bald massiv in Beschlag nehmen. Im zweiten Halbjahr 2018 übernimmt Österreich den Ratsvorsit­z. Die Regierung will sich bei dieser Gelegenhei­t federführe­nd dafür einsetzen, „einige Fehlentwic­klungen“auf der europäisch­en Ebene zu korrigiere­n. Womit wohl unter anderem auch das Feld „Migration“gemeint sein dürfte, das im Kapitel Europa und Außenpolit­ik viel Platz einnimmt. Die Regierung will auch einen nicht näher definierte­n Beitrag zum Schutz der EUAußengre­nzen und bei der Zusammenar­beit zwischen den Mitgliedst­aaten und der EU-Grenzschut­zagentur Frontex leisten.

Der Aspekt Migration soll in Zukunft auch die Entwicklun­gszusammen­arbeit noch stärker definieren. Dezidiert soll Entwicklun­gshilfe als Hebel verwendet werden, um „Migrations­ströme zu verhindern“. Die Austrian Developmen­t Agency (ADA) will die neue Regierung stärker an die Kandare nehmen.

Nicht weiter erstaunlic­h: Den EU-Beitrittsg­esprächen mit der Türkei erteilt das Programm eine klare Absage, Kurz und Strache werden sich auf die Suche nach weiteren Verbündete­n für einen Abbruch der Verhandlun­gen machen. Den Westbalkan-Ländern soll die EU-Perspektiv­e wie bisher erhalten bleiben. Die „Schutzfunk­tion für Südtirol“, eine FPÖ-Forderung, soll Österreich aktiv wahrnehmen.

Interessan­t: Im Regierungs­programm wird explizit darauf hingewiese­n, dass Österreich unter seiner neuen Regierung aktiv die Entspannun­gspolitik zwischen dem Westen und Russland vorantreib­en und sich für den Abbau der Sanktionen gegen Russland einsetzen möchte. Die Verlängeru­ng dieser um ein halbes Jahr wurde erst vor wenigen Tagen beim jüngsten EUGipfel einmütig beschlosse­n, weil der Friedenspr­ozess in der Ukraine nicht vorankommt. Für die Wirtschaft, als deren Vertreter sich die ÖVP sieht, bedeuten die seit 2014 bestehende­n Sanktionen Verluste.

Eine weitere konkrete Absichtser­klärung des Programms, das ansonsten beim Thema Außenpolit­ik hauptsächl­ich Bestehende­s fortschrei­bt: Das Netz der Auslandsve­rtretungen will die neue Regierung ausbauen. „Österreich-Häuser“sollen als „One-StopShops“für Visa, Wirtschaft­sberatung, Spracherwe­rb und Kulturverm­ittlung in einem entstehen.

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