Europa und Außenpolitik
EU: „Fehlentwicklungen“sollen korrigiert werden Türkei: Verbündete für Abbruch der EU-Verhandlungen gesucht Russland: Gegen Sanktionen
Präsident Alexander Van der Bellen hatte es dringlich eingemahnt, im Regierungsprogramm wird es berücksichtigt: das Bekenntnis zur Europäischen Union. Von Öxit also keine Spur, trotzdem wird als oberstes Ziel der EU- und Außenpolitik im Regierungsprogramm die Wahrung der Interessen Österreichs als Maßstab genannt. „Austria first“, könnte man zugespitzt formulieren. Konkret bekennt sich das Regierungsprogramm zum vierten Szenario des Weißbuches von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: „Weniger, aber effizienter“. Die wichtigsten EU-Agenden zieht Kurz ja ohnehin vom Außenministerium in das Kanzleramt. Von dort aus soll die „aktive“Mitgestaltung in der EU, so das zweitgenannte Ziel, nach dem „Grundsatz der Subsidiarität“erfolgen. Ein Prinzip, das bereits im Jahr 1997 im Vertrag von Amsterdam festgeschrieben wurde.
Die EU-Thematik wird die neue Regierung ja schon bald massiv in Beschlag nehmen. Im zweiten Halbjahr 2018 übernimmt Österreich den Ratsvorsitz. Die Regierung will sich bei dieser Gelegenheit federführend dafür einsetzen, „einige Fehlentwicklungen“auf der europäischen Ebene zu korrigieren. Womit wohl unter anderem auch das Feld „Migration“gemeint sein dürfte, das im Kapitel Europa und Außenpolitik viel Platz einnimmt. Die Regierung will auch einen nicht näher definierten Beitrag zum Schutz der EUAußengrenzen und bei der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der EU-Grenzschutzagentur Frontex leisten.
Der Aspekt Migration soll in Zukunft auch die Entwicklungszusammenarbeit noch stärker definieren. Dezidiert soll Entwicklungshilfe als Hebel verwendet werden, um „Migrationsströme zu verhindern“. Die Austrian Development Agency (ADA) will die neue Regierung stärker an die Kandare nehmen.
Nicht weiter erstaunlich: Den EU-Beitrittsgesprächen mit der Türkei erteilt das Programm eine klare Absage, Kurz und Strache werden sich auf die Suche nach weiteren Verbündeten für einen Abbruch der Verhandlungen machen. Den Westbalkan-Ländern soll die EU-Perspektive wie bisher erhalten bleiben. Die „Schutzfunktion für Südtirol“, eine FPÖ-Forderung, soll Österreich aktiv wahrnehmen.
Interessant: Im Regierungsprogramm wird explizit darauf hingewiesen, dass Österreich unter seiner neuen Regierung aktiv die Entspannungspolitik zwischen dem Westen und Russland vorantreiben und sich für den Abbau der Sanktionen gegen Russland einsetzen möchte. Die Verlängerung dieser um ein halbes Jahr wurde erst vor wenigen Tagen beim jüngsten EUGipfel einmütig beschlossen, weil der Friedensprozess in der Ukraine nicht vorankommt. Für die Wirtschaft, als deren Vertreter sich die ÖVP sieht, bedeuten die seit 2014 bestehenden Sanktionen Verluste.
Eine weitere konkrete Absichtserklärung des Programms, das ansonsten beim Thema Außenpolitik hauptsächlich Bestehendes fortschreibt: Das Netz der Auslandsvertretungen will die neue Regierung ausbauen. „Österreich-Häuser“sollen als „One-StopShops“für Visa, Wirtschaftsberatung, Spracherwerb und Kulturvermittlung in einem entstehen.