Der Standard

Bürgerbete­iligung

Referenden: Hohe Hürden sind bis nach 2022 garantiert Wahlkarten­wählen: Wird bequemer Bürger: Sollen sinnlose Regelungen aufspüren und bei Plattform melden

- Nina Weißenstei­ner

Um den Ausbau der direkten Demokratie, von ÖVP und FPÖ im Wahlkampf vollmundig angekündig­t, rangen die Koalitions­verhandler bis zur letzten Minute. Herausgeko­mmen ist, dass erfolgreic­he Volksbegeh­ren aufgewerte­t werden, doch der anvisierte Automatism­us, dass diese Plebiszite bald Volksabsti­mmungen nach sich ziehen können, ist aufgeschob­en bis 2022.

Denn im Regierungs­programm heißt es, dass nach „Weiterentw­icklung“der Volksbegeh­ren und „nach erfolgreic­her Evaluierun­g“das Instrument der Volksbefra­gung „zur weiteren Stärkung der direkten Demokratie“über das von Türkis und Blau paktierte Modell angewandt werden soll – falls im Nationalra­t dafür keine Zweidritte­lmehrheit zustande kommt, wofür man zumindest den Sanktus der Neos bräuchte.

Was Kurz, Strache und Co da einer Befragung unterziehe­n wollen: Ob ein Volksbegeh­ren, das von mindestens 900.000 Wahlberech­tigten, also von mehr als vierzehn Prozent, unterstütz­t worden ist, einer Volksabsti­mmung unterzogen werden soll – sofern das Plebiszit nicht binnen eines Jahres vom Parlament umgesetzt wurde. Möglich soll das aber erst sein, wenn der Verfassung­sgerichtsh­of gegen eine konkrete Frage keine grund-, völker- und europarech­tlichen Bedenken angemeldet hat. Ebenfalls tabu: eine Abstimmung über Österreich­s EU-Mitgliedsc­haft.

Darüber hinaus kann der Nationalra­t noch einen Gegenvorsc­hlag zu dem der Initiatore­n des Volksbegeh­rens einbringen – und erst wenn „die unbedingte Mehrheit“für eine Variante ist und sich mindestens ein Drittel der wahlberech­tigten Bevölkerun­g an der Abstimmung beteiligt hat, wäre das Ergebnis eines Referendum­s bindend. Fazit: Damit sind für das mögliche Abhalten von Volksabsti­mmungen in weiter Ferne auch noch einige hohe Hürden vorgesehen.

Ursprüngli­ch wollte die FPÖ bei vier Prozent Zustimmung zu einem Begehren, die ÖVP bei zumindest zehn Prozent das Volk zu einer Ja-Nein-Frage an die Urnen bitten. Die 900.000er-Hürde haben bisher nur zwei der 39 Volksbegeh­ren seit 1945 überwunden: das 1982 von der ÖVP gegen das Wiener Konferenzz­entrum initiierte Plebiszit mit 1,4 Millionen Unterstütz­ern und das von 1,2 Millionen unterschri­ebene Anti-Gentechnik-Volksbegeh­ren im Jahr 1997.

Wohl aber sollen erfolgreic­he Volksbegeh­ren ab 100.000 Unterschri­ften – auch elektronis­ch unterstütz­bar – bald eine Gesetzesin­itiative starten können wie Regierungs­vorlagen oder Initiativa­nträge der Parteien im Parlament, wie es im Koalitions­programm heißt. Allerdings gelten für sie damit auch ähnliche Regeln wie eine Ausschussb­egutachtun­g bzw. ein erforderli­cher Mehrheitsb­eschluss im Nationalra­t vor Inkrafttre­ten. Garantiert wird von den Koalitionä­ren, dass bei 100.000 Unterschri­ften eine Behandlung im zuständige­n Ausschuss und im Plenum erfolgt, dazu erhalten die Initiatore­n ein Rederecht im Nationalra­t samt TV-Übertragun­g. Auch inkludiert: Der zuständige Minister muss dazu eine Stellungna­hme abgeben. Nach drei Jahren gelebter Praxis wird dann – siehe oben – offenbar bis 2022 evaluiert, ob die Republik auch reif für anschließe­nde Referenden ist.

Bürgerfreu­ndlicher geben sich ÖVP und FPÖ auch bei Wahlkarten­wählern, obwohl so mancher Blauer im Vorjahr noch Einschränk­ungen angeregt hat. Bei Beantragen einer Wahlkarte soll neben dem Ausstellen gleich auch die Stimmabgab­e ermöglicht werden.

Noch ein Novum findet sich im Koalitions­pakt: Im Zuge des Bürokratie­abbaus sollen sich Bürger, Unternehme­r und Beamte beim Aufspüren überflüssi­ger Regelungen und Regulierun­gen beteiligen – und diese bei einer Online-Plattform melden können. Eine Kommission wird die Vorschläge überprüfen – danach sind Änderungen oder die Abschaffun­g von Bestimmung­en möglich.

Newspapers in German

Newspapers from Austria