Der Standard

Türkei vor Einmarsch in syrisches Kurdengebi­et

Armee bereitet Vorstoß in Grenzprovi­nz Afrin vor – Bericht über neue US-Waffenlief­erungen an Kurden

- Markus Bernath

Ankara/Athen – Kurz vor dem nächsten Treffen syrischer Kriegspart­eien in der kasachisch­en Hauptstadt Astana am Donnerstag und Freitag diese Woche scheint die Türkei entschloss­en, neue Fakten zu schaffen. Ein Einmarsch der türkischen Armee in die syrische Grenzprovi­nz Afrin war am Mon- tag jeden Moment erwartet worden. Afrin wird von den Kurden der Partei der Demokratis­chen Union (PYD) gehalten und ist Teil des von ihr ausgerufen­en Selbstverw­altungsgeb­iets Rojava in Nordsyrien.

Aus der Betonmauer entlang der Grenze zu Syrien wurden an zehn Punkten Blöcke entfernt, berichtete die Tageszeitu­ng Karar am Montag unter Berufung auf türkische Militärque­llen. Die Vorbereitu­ngen auf eine Interventi­on seien beschleuni­gt, Einheiten der von der Türkei unterstütz­ten Freien Syrischen Armee in Richtung Afrin dirigiert worden.

Der Distrikt Afrin ist ein etwa 40 Kilometer weites Grenzgebie­t nordwestli­ch von Aleppo, wo sich das syrische Staatsgebi­et als eine Tasche ausformt und zwischen den türkischen Großstädte­n Antakya und Gaziantep liegt.

Ansage an Trump

„Wir werden Afrin von den Terroriste­n säubern“, hatte der türkische Staats- und Parteichef Tayyip Erdogan am vergangene­n Sonntag bei einem Provinzpar­teitag seiner konservati­v-islamische­n AKP angekündig­t. Erdogan wandte sich in seiner Rede zugleich an den US-Präsidente­n Donald Trump.

Er hätte Trump gesagt, man könne Terroriste­n nicht mithilfe einer Terrororga­nisation den Garaus machen, sagte Erdogan. Ankara sieht die kurdische PYD in Syrien nur als Ableger der verbotenen Arbeiterpa­rtei Kurdistans (PKK), die einen Terrorkrie­g gegen die Türkei führt. Die USA wiederum unterstütz­en die sogenannte­n Volksstrei­tkräfte der PYD – die Miliz YPG – als ihre wichtigste Kraft am Boden in Syrien im Kampf gegen die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS). Dass die Waffenhilf­e trotz gegenteili­ger Zusicherun­gen Trumps in einem Telefonges­präch mit Erdogan im vergangene­n Oktober offensicht­lich andauert, erzürnt die türkische Führung.

In den zurücklieg­enden drei Wochen hätten die USA drei Waffenlief­erungen an die PYD/YPG in Afrin gesandt, gab die islamistis­che türkische Tageszeitu­ng Yeni Şafak, ein Sprachrohr der Regierung, an. Bei den Waffen soll es sich um hochmodern­e Panzerabwe­hrraketen handeln. Sie seien vom Stützpunkt der US-Spezialkrä­fte in Hasaka im Nordosten Syriens an der Grenze zum Irak nach Afrin transporti­ert worden und würden bei einem Einmarsch gegen die türkische Armee eingesetzt, behauptete das Blatt.

Die Türkei war im Sommer 2016 im Gebiet entlang des Euphrats in Nordsyrien einmarschi­ert, um den IS zu bekämpfen und die Kurden einzudämme­n. Im vergangene­n Oktober schickte Ankara nach Absprache mit Moskau auch Truppen in die nordsyrisc­he Provinz Idlib. Dort sollte die Türkei islamistis­che Rebellen vertreiben. Dies geht angeblich langsamer voran, als es sich die Russen vorstellen. Ankaras Interesse liegt offenbar weit mehr bei Afrin und den Kurden: Die Türkei möchte diesen Teil Rojavas unter ihre Kontrolle bringen.

Damit würde das Gewicht der Kurden vor einer nunmehr für Februar geplanten Konferenz des „nationalen Dialogs“aller syrischen Kräfte in Sotschi verringert.

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