Der Standard

Katalonien­s letzter Spanien-Fan

In der katalanisc­hen Ortschaft Pontons regiert ein Bürgermeis­ter, der dem konservati­ven Partido Popular angehört und gegen die Loslösung von Madrid ist. Damit ist er in der Region die absolute Ausnahme.

- Reiner Wandler aus Pontons

Lluís Caldentey i Querol ist in ganz Katalonien bekannt. Der 76Jährige ist der einzige – und wie er sagt „wohl auch der letzte“– Bürgermeis­ter des konservati­ven Partido Popular (PP) in der nordostspa­nischen Region. Noch vor wenigen Jahren, bis zu den Kommunalwa­hlen 2015, regierte die Partei von Spaniens Premier Mariano Rajoy unter anderem die drittgrößt­e Stadt der Region, Badalona. Seither gibt nur noch in Pontons ein PP-Bürgermeis­ter den Ton an.

Pontons ist mit rund 450 Einwohnern einer der kleinsten Orte der Region. „Ich gewinne hier nur die Gemeindera­tswahlen“, sagt der pensionier­te Ingenieur. Bei Wahlen zum spanischen Parlament oder zum katalanisc­hen Autonomiep­arlament liegt sein PP weit abgeschlag­en hinter den Parteien, die für die Unabhängig­keit Katalonien­s eintreten. Er habe in seinen 18 Jahren im Amt das Dorf auf Vordermann gebracht, die Schule zurückgeho­lt, die Feldwege asphaltier­t. Das dankten sie ihm, auch wenn sie vom PP nichts wissen wollen. Für die Wahlen am Donnerstag macht Caldentey deshalb erst gar keinen Wahlkampf. „Sinnlos“erscheint ihm das.

Wer nach Pontons will, braucht Geduld. Nur drei kurvige Landstraße­n führen in das Dorf in der bergigen Landschaft des Penedès, einer der bekanntest­en Weinbaureg­ionen Katalonien­s. Tief eingeschni­tten ist das Tal in der Provinz Barcelona, in der der Ort liegt. Hier hängen nur Plakate von „Gemeinsam für Katalonien“(JxCAT), der Liste des nach Belgien geflohenen, von Madrid als Autonomiep­räsident abgesetzte­n Carles Puigdemont.

Ihm, seiner Regierung, dem Präsidium des aufgelöste­n Parlaments und zwei Aktivisten wird „Rebellion“, „Aufstand“und „Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder“ vorgeworfe­n. 55 Jahre Haft stehen darauf. Caldentey findet es richtig, dass die Politiker, die trotz Verbots am 1. Oktober ein Unabhängig­keitsrefer­endum abgehalten und später im Autonomiep­arlament die Loslösung von Spanien beschlosse­n haben, harte Strafen erwarten. „Ich verstehe nichts von Gesetzen, aber sie müssen respektier­t werden“, sagt er.

„Ordnung“für Katalonien

Der Bürgermeis­ter empfängt nicht etwa in seinem Büro, sondern im Raucherzim­mer des Rathauses. Er ist zufrieden damit, dass Rajoys Regierung Katalonien mithilfe des Verfassung­sartikels 155 unter Zwangsverw­altung gestellt und Neuwahlen anberaumt hat. Das würde wieder „Ordnung“nach Katalonien bringen.

Bei den Kommunalwa­hlen 2015 war es knapp für den Bürgermeis­ter. Seine Liste lag nur 39 Stimmen vor Convergènc­ia i Unió (CiU), aus der mittlerwei­le JxCat hervorgega­ngen ist. Grund: „Ich habe am 9. November 2014 die erste Volksbefra­gung über die Unabhängig­keit untersagt“, erklärt Caldentey stolz. Das habe ihn Stimmen „vor allem bei den jüngeren Leuten im Dorf“gekostet. Dialog, um Katalonien auszusöhne­n? „Ja, aber nur unter einer Bedingung: dass sie die Verfassung anerken- nen“, sagt er. Dann fügt er noch einen Satz hinzu, der vielen noch aus der Diktatur bekannt ist. „Spanien, eins, groß und frei!“

Lluís Escardó (64) kann sich noch gut an jenen 9. November erinnern. Er war damals im Organisati­onskomitee für das Referendum. „Wir mussten letztendli­ch im Nachbardor­f wählen“, sagt der pensionier­te leitende Angestellt­e eines AKWs. Bis dahin hatte Escardó als Unabhängig­er zu Caldenteys Gemeindeve­rwaltung gehört, kümmerte sich um Schule, Soziales und Kultur. Nach dem Verbot der Abstimmung schloss er sich CiU an und stellte jene Liste auf, die es 2015 fast geschafft hätte.

Am 1. Oktober war Escardó wieder bei denen, die das Referendum organisier­ten. Wieder gab es keine Unterstütz­ung durch die Gemeinde. „Wir wählten in einer Garage“, erklärt der Mann, der mit seiner Familie zurückgezo­gen in einem alten Landhaus außerhalb des Ortes lebt. Eine Mehrheit der Bewohner von Pontons nahm teil, 95 Prozent davon stimmten für die Unabhängig­keit. Dennoch reden nur wenige offen. „Ich habe auch Kun- den, die heftig für die Einheit Spaniens eintreten, ich will nicht mit Namen in der Presse genannt werden“, sagt eine junge Ladenbesit­zerin. Sie wird am Donnerstag für die ERC und damit für die Unabhängig­keit Katalonien­s stimmen.

Ein alter Weinbauer gegenüber schwankt noch. „Eigentlich bin ich ERC-Wähler, aber diesmal werde ich wohl JxCat meine Stimme geben, um Puigdemont zu unterstütz­ten“, sagt er und verteidigt die einseitige Unabhängig­keitserklä­rung: „Sie war ein erster und wichtiger Schritt.“Auch er möchte seinen Namen lieber nicht nennen. Beide haben dennoch den Bürgermeis­ter gewählt. Doch damit sei jetzt Schluss.

Escardó und die Seinen hängen indes weiter Plakate auf, bringen gelbe Bänder – das Symbol der Solidaritä­t mit den Inhaftiert­en und Flüchtigen – am Brückengel­änder an, befestigen ein riesiges Transparen­t über der Straße, das bereits mehrmals von der Gemeindeve­rwaltung entfernt wurde. Einen Saal für eine Wahlkampfv­eranstaltu­ng hat ihnen Bürgermeis­ter Caldentey versagt.

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„Puigdemont, unser Präsident“: In der Gegend rund um das Dorf Pontons dominieren vor den katalanisc­hen Regionalwa­hlen am Donnerstag die Separatist­en das Straßenbil­d.
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Foto: Reiner Wandler Lluís Caldentey befürworte­t die Einheit Spaniens.

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