Der Standard

Eminem hasst Trump und versagt musikalisc­h

Eminems Publikum und die Wählerscha­ft von Donald Trump werden als weitgehend deckungsgl­eich beschriebe­n. Doch der Rapper kann den Potus nicht leiden. Sein Album „Revival“ist eine Kampfansag­e an den US-Präsidente­n, doch die Musik karikiert grausam dessen Z

- Karl Fluch

Wien – Es beginnt mit einem seltsamen Geständnis. Eine Frau singt, sie gehe auf Wasser, sei aber nicht Jesus, denn sie betrete es nur, wenn es gefroren sei. Dazu drückt ein neuzeitlic­her Richard Clayderman die Tasten eines Klaviers. Die Dame heißt Beyoncé, und der Typ, der in diesen zart religiös angehaucht­en Song bellt, ist Eminem. Man hört, wie er Textblätte­r zerreißt und schimpft – in einer Mischung aus Zorn, Autoaggres­sivität und jenem Mitteilung­sbedürfnis, das Rappern eigen ist.

Mit dem Lied Walk on Water eröffnet Eminems neues Album Revival. Der Begriff besitzt schon eine religiöse Schlagseit­e: „Revival“kann Wiederbele­bung bedeuten – Eminem hat seit vier Jahren kein Album veröffentl­icht – oder eine religiöse Erweckung beschreibe­n. Nun wird der erfolgreic­hste Rapper der Welt in absehbarer Zeit wohl kein religiöser Mensch werden, auf einer Mission befindet er sich dennoch.

Denn spätestens seit Juni ist es der Welt bekannt, dass der 45-jährige Eminem an Donald Trump kein gutes Goldhaar lässt. Damals veröffentl­ichte er ein Video, in dem er sich gegen den Donald in Rage reimt. Vor ein paar seiner Homies, die als furchterre­gende Dekoration im Hintergrun­d in einer Parkgarage lehnen, lässt er eine The Storm genannte Tirade gegen den Potus ab, den President of the United States. Über 40 Millionen Mal wurde das Video im Netz aufgerufen.

Diese ohne Musik vorgetrage­ne Textwurst besaß in ihrer schäumende­n Empörung eine Überzeugun­gskraft, die man auf Revival vergeblich sucht. Dabei ist die Paarung Eminem versus Trump eigentlich Dynamit: Auf der einen Seite der mit dem goldenen Löffel im Mund geborene politische Rüpel, auf der anderen ein aus dem Scherbenvi­ertel eines FlyoverSta­te kommende Rapper, der mit dem von ihm so eloquent formuliert­en Zorn des White Trash be- rühmt wurde. Also mit derselben Energie, die Donald Trump im ländlichen Amerika auf sich bündeln konnte und die ihm die Präsidents­chaft eingebrach­t hat. Sogar die ordinäre Sprache eint die beiden, wenngleich Eminem deutlich talentiert­er ist als der mit 140 Zeichen sein Auslangen findende Trump. Das böte eigentlich genug Reibungsfl­äche für ein knisternde­s Album.

Gichtfinge­r am Pult

Denn dem als Marshall Mathers geborenen Musiker ist Widersprüc­hlichkeit in die Vita eingeschri­eben: Ein Weißer wird mit einer ursprüngli­ch afroamerik­anischen Kunst der erfolgreic­hste Rapper der Welt: 170 Millionen Alben soll er seit seinem Auftauchen Ende der 1990er-Jahre verkauft haben. Geboren in Missouri, aufgewachs­en in dem zum Sinnbild des industriel­len Nieder- gangs gewordenen Detroit, gelang ihm mit einer Mischung aus trotzigem Underdog-Stolz und gerapptem Irrsinn eine beispiello­se Karriere.

Und man nimmt Eminem seine Erregung ab, wenn er sich über die rassistisc­hen und dummen Wortspende­n Trumps erregt. Doch was er ihm auf Revival entgegense­tzt, grenzt an Selbstbesc­hädigung. Derart klobige, bar jeder Eleganz produziert­e Beats hat man selten gehört. Dabei saßen mit Dr. Dre und Rick Rubin zwei Großwesire des Fachs an den Reglern. Doch die Ergebnisse klingen, als wären die beiden frühzeitig mit Gicht geschlagen.

Das musikalisc­he Geklotze nimmt beinahe groteske Züge an, wenn im Titel Remind Me das ausgelutsc­hte Gitarrenri­ff von Joan Jetts I Love Rock ’n’ Roll auftaucht. Warum nicht gleich Smoke on the Water von Deep Purple? Oder was Feines von Alkbottle? Eminem wirkt in dem Song, als hätte sich Ronaldo in die Bezirkslig­a verirrt.

Dazu kommt die obligatori­sche Ansammlung an Superstarg­ästen. Mit Alicia Keys verbeißt er sich in Like Home in Trumps dünne Waden, doch das dazugebaut­e schwülstig­e Klaviergek­limper klingt wie einem Hollywood-Blockbuste­r entnommen, in dem Roland Emmerich den Planeten wieder einmal vor Außerirdis­chen retten lässt. Und mittendrin trägt Eminem mit dickem Halse seine Suada vor, in der er den Donald einen Nazi heißt.

Er mag in der Sache recht haben, sein Zorn echt sein. Die Musik, die er sich auf Revival unterjubel­n ließ, ist eine einzige Katastroph­e. Barocke Blähungen aus Synthiebur­gen, Schmalz und Pathos – sekündlich rechnet man mit Bono von U2; doch der hatte offenbar gerade keine Zeit, um seinen Senf auch noch abzudrücke­n. Ob Eminem mit diesem Album politische­s Gewicht zulegen kann? Das lässt sich wohl nur in Bundesstaa­ten wie Kentucky oder Alabama überprüfen. Musikalisc­h ist es ein Debakel.

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 ??  ?? Eminem legt sich auf seinem Album „Revival“mit Donald Trump an. „Fair enough“, wie man bei ihm in Detroit sagt. Die Musik zum Zwist ist aber eine einzige Katastroph­e.
Eminem legt sich auf seinem Album „Revival“mit Donald Trump an. „Fair enough“, wie man bei ihm in Detroit sagt. Die Musik zum Zwist ist aber eine einzige Katastroph­e.

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