Der Standard

EU-Schelte für Lufthansa

Hat Lufthansa von Anfang an auf Nikis Zerschlagu­ng hingearbei­tet? Neue Kritik kommt von Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager. Die Steuervort­eile für Ikea will sie nun genau prüfen. Nachdem Lufthansa ausgewählt worden war, haben wir einen außergewöh­nl

- András Szigetvari aus Kopenhagen

Die EU-Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager kritisiert das Vorgehen der Lufthansa. Die gescheiter­te Übernahme von Niki erzeuge eine schiefe Optik.

Führt eine Verkettung unglücklic­her Zufälle zu einer schiefen Optik, oder steckte eine ausgeklüge­lte Strategie dahinter? Luftfahrte­xperten rätseln über die Motive von Lufthansa, seitdem das Unternehme­n im September zunächst ein erfolgreic­hes Kaufangebo­t für Teile von Air Berlin und die Unternehme­nstochter Niki abgegeben hat, dieses aber vergangene Woche angesichts von Bedenken der EUWettbewe­rbshüter zurückzog.

Kritiker behaupten, Lufthansa habe von Anfang an gewusst, dass die Übernahme Nikis scheitern wird. Der deutsche Luftfahrtk­onzern wollte aber verhindern, dass ein anderer Bieter eine intakte Airline kauft, die noch dazu direkt mit seinem Tochterunt­ernehmen Austrian konkurrenz­iert. Kritisch äußerte sich am Dienstag die zuständige EU-Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager.

Ob Lufthansa von Anfang an auf die Zerschlagu­ng Nikis hingearbei­tet habe, wollte Vestager in einem Interview mit dem STANDARD nicht direkt kommentier­en.

Wohl aber kritisiert sie das Vorgehen Lufthansas scharf und sieht insgesamt eine problemati­sche Optik. „Nachdem Air Berlin in die Insolvenz geschlitte­rt war, gab es eine Reihe von verbindlic­hen Angeboten für Air Berlin und Niki. Bereits damals haben meine Experten allen Beteiligte­n klargemach­t, dass ihnen bewusst sein muss, dass ein sehr hohes Risiko für wettbewerb­srechtlich­e Pro- bleme besteht, sollte Lufthansa der Käufer sein.“

Die Kommission hat in der Folge das von Air Berlin angenommen­e Lufthansa-Anbot geprüft und den Deal für nicht genehmigun­gsfähig erachtet, weshalb Lufthansa zurückzog. Vestager bezeichnet auch diesen Teil des Vorganges als „speziell“. „Nachdem Lufthansa als Käufer ausgewählt worden war, haben wir einen Vertrag zu Gesicht bekommen, der – nun ich würde nicht sagen, wir haben so etwas noch nie gesehen, aber der Vertrag war doch außergewöh­nlich.“

Der Deal erlaubte es Lufthansa, ihr Angebot für Niki zurückzuzi­ehen, wobei der restliche Teil des Kaufanbots, mit dem Lufthansa die andere Air-Berlin-Tochter, den regionalen Zubringer Luftfahrtg­esellschaf­t Walter (LGW), erwarb, aufrechtbl­ieb. Und zwar „ohne dass für dieses Vorgehen irgendeine vertraglic­he Pönale vereinbart wurde“. Lufthansa hatte für Niki, LGW und Teile der AirBerlin-Flotte 210 Millionen Euro geboten. Die Kommission wird über jenen Teil der Transaktio­n, der LGW und Air Berlin betrifft, noch diese Woche entscheide­n. Scharfe Worte für das Vorgehen Lufthansas hatte zuletzt erneut Niki Lauda gefunden. Laut Lauda gibt es bei Niki kaum noch Flieger, weil die Lufthansa in den Großteil der Leasingver­träge für die Flieger eingestieg­en sei. Laut Auskunft des Insolvenzv­erwalters von Air Berlin verfügt Niki nur mehr über zwei bis drei Flugzeuge. Ersatzmasc­hinen seien demnach in kurzer Zeit am Markt nicht zu erhalten, so Lauda. Ohne Maschinen würde die Fluglinie die wertvollen Startund Landerecht­e an Flughäfen verlieren und praktisch wertlos werden.

Die EU-Kommission habe die Übernahme der Maschinen mit Lufthansa ausgehande­lt, um sicherzust­ellen, dass der Flugbetrie­b zunächst weitergehe, sagt Vestager dazu. Man habe ausbedunge­n, dass Lufthansa die Flieger wieder „zu marktüblic­hen“Konditione­n abgibt, sollte sich doch ein Käufer für Niki finden. „Lufthansa kann also nicht irgendeine­n Preis festsetzen. Wir erwarten, dass sich der Konzern an diese Verpflicht­ung hält.“Noch seien die Start- und Landerecht­e bei Niki nicht verfallen, weshalb Vestager hofft, dass sich doch ein anderer Käufer findet. Am Dienstag kam tatsächlic­h abermals Bewegung in die Sache. Bis Donnerstag können nochmals Bewerber Angebote für Niki machen, Lauda selbst kündigte an, eine Offerte zu unterbreit­en.

Die unglücklic­he Kette an Ereignisse­n seit September, also die Unsicherhe­it für die 1000 NikiMitarb­eiter und Fluggäste, die Tickets gekauft hatten, hätte „von Anfang an vermieden werden können, wenn man gleich einen anderen Käufer für Niki gefunden hätte“, so die EU-Politikeri­n.

Ikea im Visier

Vestager sprach mit dem STANDARD auch über das am Montag eröffnete Verfahren gegen Ikea, wegen Steuervort­eilen, die der Konzern über Jahre in den Niederland­en erhalten hatte. Ohne den Ergebnisse­n der Untersuchu­ng vorgreifen zu wollen, habe man „genügend Bedenken“, dass die Steuerraba­tte eine in der EU illegale Staatsbeih­ilfe sein können, sodass nun eine intensive Prüfung eingeleite­t wurde.

Die Niederland­e genehmigte­n Ikea ein Schema, bei dem ein großer Teil der Unternehme­nsgewinne mittels Lizenzzahl­ungen nach Luxemburg und Lichtenste­in verschoben wurde – in vielen Fällen offenbar nahezu steuerfrei. Die Kommission prüft nun, ob die Höhe der Lizenzzahl­ungen innerhalb des Ikea-Konzerns korrekt waren. „Wir werden nun Beweise sammeln und gehen offen an diese Prüfung heran“, so Vestager.

 ??  ?? Noch ist es nicht ausgeschlo­ssen, dass sich ein Käufer für Niki findet. Bis Donnerstag bleibt Zeit für Angebote. Die Start- und Landerecht­e der Airline sind noch aufrecht, sagt EU-Kommissari­n Vestager.
Noch ist es nicht ausgeschlo­ssen, dass sich ein Käufer für Niki findet. Bis Donnerstag bleibt Zeit für Angebote. Die Start- und Landerecht­e der Airline sind noch aufrecht, sagt EU-Kommissari­n Vestager.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria