EU-Schelte für Lufthansa
Hat Lufthansa von Anfang an auf Nikis Zerschlagung hingearbeitet? Neue Kritik kommt von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Die Steuervorteile für Ikea will sie nun genau prüfen. Nachdem Lufthansa ausgewählt worden war, haben wir einen außergewöhnl
Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager kritisiert das Vorgehen der Lufthansa. Die gescheiterte Übernahme von Niki erzeuge eine schiefe Optik.
Führt eine Verkettung unglücklicher Zufälle zu einer schiefen Optik, oder steckte eine ausgeklügelte Strategie dahinter? Luftfahrtexperten rätseln über die Motive von Lufthansa, seitdem das Unternehmen im September zunächst ein erfolgreiches Kaufangebot für Teile von Air Berlin und die Unternehmenstochter Niki abgegeben hat, dieses aber vergangene Woche angesichts von Bedenken der EUWettbewerbshüter zurückzog.
Kritiker behaupten, Lufthansa habe von Anfang an gewusst, dass die Übernahme Nikis scheitern wird. Der deutsche Luftfahrtkonzern wollte aber verhindern, dass ein anderer Bieter eine intakte Airline kauft, die noch dazu direkt mit seinem Tochterunternehmen Austrian konkurrenziert. Kritisch äußerte sich am Dienstag die zuständige EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.
Ob Lufthansa von Anfang an auf die Zerschlagung Nikis hingearbeitet habe, wollte Vestager in einem Interview mit dem STANDARD nicht direkt kommentieren.
Wohl aber kritisiert sie das Vorgehen Lufthansas scharf und sieht insgesamt eine problematische Optik. „Nachdem Air Berlin in die Insolvenz geschlittert war, gab es eine Reihe von verbindlichen Angeboten für Air Berlin und Niki. Bereits damals haben meine Experten allen Beteiligten klargemacht, dass ihnen bewusst sein muss, dass ein sehr hohes Risiko für wettbewerbsrechtliche Pro- bleme besteht, sollte Lufthansa der Käufer sein.“
Die Kommission hat in der Folge das von Air Berlin angenommene Lufthansa-Anbot geprüft und den Deal für nicht genehmigungsfähig erachtet, weshalb Lufthansa zurückzog. Vestager bezeichnet auch diesen Teil des Vorganges als „speziell“. „Nachdem Lufthansa als Käufer ausgewählt worden war, haben wir einen Vertrag zu Gesicht bekommen, der – nun ich würde nicht sagen, wir haben so etwas noch nie gesehen, aber der Vertrag war doch außergewöhnlich.“
Der Deal erlaubte es Lufthansa, ihr Angebot für Niki zurückzuziehen, wobei der restliche Teil des Kaufanbots, mit dem Lufthansa die andere Air-Berlin-Tochter, den regionalen Zubringer Luftfahrtgesellschaft Walter (LGW), erwarb, aufrechtblieb. Und zwar „ohne dass für dieses Vorgehen irgendeine vertragliche Pönale vereinbart wurde“. Lufthansa hatte für Niki, LGW und Teile der AirBerlin-Flotte 210 Millionen Euro geboten. Die Kommission wird über jenen Teil der Transaktion, der LGW und Air Berlin betrifft, noch diese Woche entscheiden. Scharfe Worte für das Vorgehen Lufthansas hatte zuletzt erneut Niki Lauda gefunden. Laut Lauda gibt es bei Niki kaum noch Flieger, weil die Lufthansa in den Großteil der Leasingverträge für die Flieger eingestiegen sei. Laut Auskunft des Insolvenzverwalters von Air Berlin verfügt Niki nur mehr über zwei bis drei Flugzeuge. Ersatzmaschinen seien demnach in kurzer Zeit am Markt nicht zu erhalten, so Lauda. Ohne Maschinen würde die Fluglinie die wertvollen Startund Landerechte an Flughäfen verlieren und praktisch wertlos werden.
Die EU-Kommission habe die Übernahme der Maschinen mit Lufthansa ausgehandelt, um sicherzustellen, dass der Flugbetrieb zunächst weitergehe, sagt Vestager dazu. Man habe ausbedungen, dass Lufthansa die Flieger wieder „zu marktüblichen“Konditionen abgibt, sollte sich doch ein Käufer für Niki finden. „Lufthansa kann also nicht irgendeinen Preis festsetzen. Wir erwarten, dass sich der Konzern an diese Verpflichtung hält.“Noch seien die Start- und Landerechte bei Niki nicht verfallen, weshalb Vestager hofft, dass sich doch ein anderer Käufer findet. Am Dienstag kam tatsächlich abermals Bewegung in die Sache. Bis Donnerstag können nochmals Bewerber Angebote für Niki machen, Lauda selbst kündigte an, eine Offerte zu unterbreiten.
Die unglückliche Kette an Ereignissen seit September, also die Unsicherheit für die 1000 NikiMitarbeiter und Fluggäste, die Tickets gekauft hatten, hätte „von Anfang an vermieden werden können, wenn man gleich einen anderen Käufer für Niki gefunden hätte“, so die EU-Politikerin.
Ikea im Visier
Vestager sprach mit dem STANDARD auch über das am Montag eröffnete Verfahren gegen Ikea, wegen Steuervorteilen, die der Konzern über Jahre in den Niederlanden erhalten hatte. Ohne den Ergebnissen der Untersuchung vorgreifen zu wollen, habe man „genügend Bedenken“, dass die Steuerrabatte eine in der EU illegale Staatsbeihilfe sein können, sodass nun eine intensive Prüfung eingeleitet wurde.
Die Niederlande genehmigten Ikea ein Schema, bei dem ein großer Teil der Unternehmensgewinne mittels Lizenzzahlungen nach Luxemburg und Lichtenstein verschoben wurde – in vielen Fällen offenbar nahezu steuerfrei. Die Kommission prüft nun, ob die Höhe der Lizenzzahlungen innerhalb des Ikea-Konzerns korrekt waren. „Wir werden nun Beweise sammeln und gehen offen an diese Prüfung heran“, so Vestager.