Blauer Durchmarsch, türkise Regieeinlagen
Das Prozedere rund um die Regierungssitzungen ist umgekrempelt. Bei ihrem ersten Ministerrat beschlossen ÖVP und FPÖ eine Senkung der Arbeitslosenversicherung für niedrige Einkommen – parallel dazu hielt man gekonnt den Medientross in Schach.
Anstatt des alten Prozederes ist auch rund um den Ministerrat neuer Stil angesagt: Keine 24 Stunden nach ihrer Angelobung treffen im Kanzleramt die Regierungsmitglieder von ÖVP und FPÖ zu ihrer ersten Arbeitssitzung zusammen. Doch im Gegensatz zu früher darf der dort wartende Medientross nicht mehr die jeweiligen Minister umringen, mit ihnen auf Tuchfühlung gehen, ihnen drängende Fragen aufzwingen. Ab sofort bringen Türkis und Blau Ordnung in das seit Jahrzehnten jeden Dienstagvormittag wiederkehrende Gewurl.
Konkret heißt das: Gegen neun Uhr müssen im Steinsaal, im Vorraum zum Ministerrat, unter dem überlebensgroßen Gemälde von Kaiserin Maria Theresia Journalisten, Kameraleute, Fotografen hinter einer eng gehaltenen Absperrung Aufstellung nehmen. Davor stehen zwei dünne Mikros.
Fast punktgenau auf die Minute marschiert geschäftig die blaue Regierungsriege ein – allerdings ziehen Strache, Kickl und Co schweigend und in gebührlichem Abstand zum Absperrungsband vorüber. Verzweifelte Zurufe, aber auch neckische Anfragen verhallen ohne Gehör. Im so gebändigten Mediensektor, der eigentlich OTöne, Fotos, Kameraschwenks sammeln soll, kursieren erste Witze: „Wie in Schönbrunn!“, heißt es etwa in Anspielung auf den Tiergarten in der Bundeshauptstadt. Kurz darauf bietet die ÖVP-Regierungshälf- te drei knappe Statements auf. Als Erster tritt Justizminister Josef Moser, einst Rechnungshofpräsident, an ein Mikro, um einmal mehr kundzutun, dass er eine Staatsreform anstrebe – und sich nun „sofort“an „eine Rechtsbereinigung“mache.
Finanzminister Hartwig Löger kündigt – wie zuvor schon ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im STANDARD- Interview – eine Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für niedrige Einkommen bis 1948 Euro brutto im Monat an, womit 620.000 Österreicher entlastet werden – und zwar um rund 300 Euro im Jahr. Was Löger nicht dazusagt: Wer weniger als 1342 Euro verdient, zahlt schon jetzt keine Versicherungsbeiträge – für diese Niedrigverdiener ändert sich also nichts. Doch Ersuchen um Präzisierungen oder gar Einwände sind nicht zugelassen.
Fahnenwald statt Fragestunde
Der Auftritt von Karoline Edtstadler, ÖVP-Staatssekretärin im nun von Herbert Kickl (FPÖ) geführten Innenministerium, gerät noch einstudierter: Sie betet einen anstehenden Beschluss für eine Gedenkstätte im weißrussischen Maly Trostinec herunter, wo 1941/1942 mehr als zehntausend deportierte österreichische Juden ermordet wurden – dies sei als „Signal“im Vorfeld des Gedenkjahres 2018 zu verstehen.
Dann schließen sich die Türen, denn der Ministerrat berät.
Nach eineinhalb Stunden treten Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache mit dem neuen Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal („eine große Ehre und Verantwortung“) vor einen Fahnenwald bestehend aus EU- und Bundesländerflaggen. Ihre Hauptbotschaft: Bei einer Regierungsklausur am 4. und 5. Jänner soll unter anderem die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für niedrige Einkommen ausgearbeitet werden, damit das Vorhaben zur Jahresmitte in Kraft treten kann. Großes Ziel bleibe aber die Senkung der Steuerund Abgabenquote, betont Kurz. „Es ist uns ernst“, sagt Strache. Dazu erklärt der Vizekanzler, dass das Denkmal bei Minsk von Wiens Vizebürgermeister Johann Gudenus angeregt wurde, nun Klubchef der FPÖ.
Endlich sind Fragen erlaubt. Warum Gudenus nun Asylwerber „am Stadtrand“unterbringen wolle? Strache: Er habe von ihm dazu noch keine Begründung gehört, „wie er sich das vorstellt in der Realität“. Auch internationale Irritationen wie Israels FPÖMinisterboykott oder Italiens Bedenken gegen Doppelstaatsbürgerschaften für Südtiroler wischt das neue Koalitionsduo gelassen vom Tisch. Ob man mit der Bestellung eines Regierungssprechers gar „MessageControl“betreiben wolle? Darauf Kurz schlagfertig: „Dieses Weihnachtsgeschenk machen wir Ihnen nicht, dass das der letzte gemeinsame Auftritt ist.“Er verspricht: „Wir werden regelmäßig informieren.“