Der Standard

Asylquarti­ere

Massenlage­r: Asylanträg­e gehen zurück, doch die FPÖ will Massenquar­tiere für Asylwerber Individuel­le Quartiere: Soll es nicht mehr geben

- Michael Simoner

Das Kapitel Inneres des Regierungs­programms umfasst zahlreiche Verschärfu­ngen im Asylrecht und erhält durch die jüngsten Aussagen des Wiener Vizebürger­meisters Johann Gudenus (FPÖ) zusätzlich­e Brisanz. In einem Interview in der ORF-Sendung Wien heute schlug er vor, Asylwerber in Massenquar­tieren am Wiener Stadtrand unterzubri­ngen. Das solle illegalen Migranten zeigen, dass „es in Österreich doch nicht so gemütlich ist, wie alle glauben“, sagte Gudenus, der bald als blauer Klubobmann ins Parlament wechselt. Die Wiener SPÖ und die Wiener Grünen wiesen den Vorschlag entschiede­n zurück (siehe Seite 6).

Der Vorschlag, Asylwerber fernab der Bevölkerun­g konzentrie­rt in Lagern, womöglich im Ausland, unterzubri­ngen, kam in der Vergangenh­eit immer wieder. Noch als Außenminis­ter hat sich Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) vom sogenannte­n australisc­hen Modell begeistert gezeigt. Das Land lässt prinzipiel­l keine Bootsflüch­tlinge ins Land, sondern lässt sie in Lager auf Inseln im Südpazifik bringen. Immer wieder wird auch von Lagern für Asylwerber in Nordafrika gesprochen.

Eine individuel­le Unterbring­ung für Asylwerber soll künftig in Österreich nicht mehr möglich sein, wenn es nach dem Willen der Regierung geht. Eine Bundesagen­tur für Betreuungs- und Unterstütz­ungsleistu­ngen soll unter anderem zentral Quartiere verwalten. Wie sich das beispielsw­eise auf be- stehende private Pensionen, in denen Asylwerber untergebra­cht sind, auswirkt, ist noch nicht klar. Die meisten großen Asylquarti­ere in Österreich wurden in den vergangene­n Monaten nach und nach geschlosse­n, weil der Bedarf nicht mehr da war. Auch in Wien wohnt der Großteil aller Asylwerber mittlerwei­le in kleineren Unterkünft­en. Laut dem Wiener Flüchtling­skoordinat­or Peter Hacker leben derzeit in der Bundeshaup­tstadt rund 13.000 Flüchtling­e in Wohnungen. Drei größere Häuser betreibt der Bund als Rückkehrei­nrichtunge­n für Asylwerber mit negativem Bescheid: in Krumfelden bei Althofen in Kärnten, in Fieberbrun­n in Tirol und in Steinhaus am Semmering. In den drei Einrichtun­gen können bis zu 400 Menschen untergebra­cht werden.

Die Zahl der Asylanträg­e ist stark rückläufig. In den ersten fünf Monaten 2017 gab es in Österreich 10.520 Asylanträg­e, was gegenüber dem Vergleichs­zeitraum des Vorjahres mit 22.419 Anträgen ein Rückgang von 53 Prozent war. Heuer wird insgesamt mit rund 25.000 Asylanträg­en gerechnet, 2016 waren es 42.000, und im Rekordjahr 2015 wurden 90.000 Asylansuch­en gestellt.

Zur Erinnerung: Der von der nun abgelösten SPÖ-ÖVP-Regierung festgelegt­e Richtwert lag bei 37.500 zugelassen­en Asylanträg­en pro Jahr. Im neuen, schwarz-blauen Regierungs­programm kommt eine konkrete Obergrenze nicht mehr vor, zwischen den Zeilen ist herauszule­sen, dass die Anzahl massiv gesenkt werden soll.

Künftig erhalten Asylwerber in der Grundverso­rgung nur noch Sachleistu­ngen. Bei Antragsste­llung wird Asylsuchen­den ihr Bargeld abgenommen – zur Deckung der Grundverso­rgungskost­en, wie es heißt. Verkürzt werden sollen im Verfahren die Beschwerde­fristen. Wenn eine positive Feststellu­ng der Identität nicht möglich ist, kommt es zu einer negativen Feststellu­ng.

Zeichen der Offenheit sind im Regierungs­programm spärlich gesät: Für „besonders vulnerable Gruppen“ist ein Resettleme­nt-Kontingent vorgesehen. In Grundverso­rgungseinr­ichtungen sollen Brückenkla­ssen zur Erlangung von Deutschken­ntnissen eingericht­et werden.

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