Der Standard

Die ersten Schritte sind die schwierigs­ten

Ex-Kontrahent­en Merkel und Schulz müssen auch noch persönlich zueinander­finden

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Österreich hat schon eine neue Regierung, und auch in Deutschlan­d geht es voran – zumindest zentimeter­weise. Am heutigen Mittwoch treffen sich die Parteichef­s Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD), um den Fahrplan für die Sondierung festzulege­n. Terminfrag­en zu lösen dürfte da- bei die leichteste Übung sein. Sehr viel schwierige­r wird es, nicht nur eine inhaltlich­e, sondern auch eine tragfähige persönlich­e Ebene für die Gespräche ab Anfang Jänner zu finden.

Das Problem sind im Moment – zur Abwechslun­g – nicht Merkel und Seehofer. Die beiden haben ihre Streitigke­iten weitgehend ausgeräumt. Die Stimmung war gut, als Merkel am Freitag beim CSU-Parteitag in Nürnberg zu Gast war. Seehofer kanzelte sie nicht, wie 2015 auf offener Bühne, ab, sondern streute ihr Rosen.

Deutlich weniger friktionsf­rei ist das Verhältnis zwischen Merkel und Schulz – wobei der SPDChef die größeren Probleme hat. „Schulz braucht noch Zeit, er leckt immer noch seine Wunden“, sagt einer aus dem CSU-Team. Kein Wunder: Schließlic­h ist Schulz der große Verlierer.

Er wollte Kanzler werden und hat es nicht geschafft. Danach wollte er als Opposition­sführer agieren, und jetzt sieht es so aus, als könnte er auch diesen Plan nicht umsetzen, weil die SPD für die große Koalition gebraucht wird. Und Merkel ist – wenngleich geschwächt – immer noch Bundeskanz­lerin von Deutschlan­d.

Schon lange vor der Bundestags­wahl, als das Desaster sich in Umfragen immer klarer abzeichnet­e, hatte Schulz nicht nur schlechte Laune, sondern konnte diese auch kaum noch verbergen. Daran hat sich wenig geändert. Doch nun muss Schulz den Graben zwischen ihm und Merkel irgendwie überbrücke­n.

„À la bonne heure!“

„Finde ich toll, à la bonne heure!“– so hatte Schulz im einzigen TV-Duell vor der Wahl noch auf Merkel reagiert, als die Kanzlerin erklärte, sie wolle auch keine Rente mit 70 Jahren einführen.

Doch noch am Wahlabend (24. September) griff Schulz Merkel in der TV-Elefantenr­unde scharf an, nannte sie einen „Ideenstaub­sauger“und ihren Wahl- kampf „skandalös“. Allerdings verschonte auch Merkel den SPDChef nicht. Seine Partei, konstatier­te sie Anfang Oktober beim Deutschlan­dtag der Jungen Union (JU), sei „auf absehbare Zeit nicht regierungs­fähig“. Daher solle man an eine große Koalition „keine weiteren Gedanken verschwend­en“.

Auch andere müssen erst in den neuen Modus finden. So hatte Andrea Nahles (SPD), die unter Merkel Arbeitsmin­isterin war und nun Fraktionsc­hefin ist, kurz nach der Wahl noch angekündig­t, die Union werde nun, da die SPD in Opposition sei, „in die Fresse kriegen“. Am SPD-Parteitag vor zehn Tagen machte Nahles ebenfalls deutlich, dass sie noch lange nicht auf Koalitions­kurs ist.

„Die SPD wird gebraucht. Bätschi, sage ich dazu nur. Und das wird ganz schön teuer. Bätschi, sage ich dazu nur“, rief sie den Delegierte­n zu, um zu verdeutlic­hen, dass die SPD bei den Verhandlun­gen sich natürlich ganz und gar nicht billig verkaufen werde.

Nahles ist im Verhandlun­gsteam der SPD. Eigentlich genießt sie in der Union Ansehen. Aber „in die Fresse“und „Bätschi“kam dort nicht so gut an. Nicht an den Sondierung­en teilnehmen wird übrigens Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel. Der fordert im Spiegel eine Kurskorrek­tur der SPD. Sie müsse mehr über „Leitkultur“oder „Heimat“diskutiere­n. Das aber missfällt vielen in der SPD.

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Foto: AFP / John MacDougall ... SPD-Chef Martin Schulz zugehen – und umgekehrt.

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