Der Standard

Afrikanisc­hes Virus bedroht Amseln

Das Usutu-Virus, das vor zehn Jahren zu einem Amselsterb­en führte, ist zurück: Seit dem Vorjahr sind wieder durch das Virus verursacht­e Todesfälle aufgetrete­n. Auch Menschen können sich infizieren – eine Gefahr für immungesch­wächte Personen.

- Susanne Strnadl

Wien – Anfang der 2000er-Jahre wurde ein bis dahin in Europa unbekannte­s Virus in Österreich nachgewies­en: Das Usutu-Virus befiel in Wien, Niederöste­rreich und dem Burgenland diverse Vogelarten, vor allem aber Amseln, und sorgte als Verursache­r des „Amselsterb­ens“für Schlagzeil­en. Ab 2005 jedoch schien es damit vorbei: Die überlebend­en Vögel hatten ausreichen­d Antikörper entwickelt, um einer weiteren Infektion Widerstand zu leisten. Seit kurzem werden jedoch wieder vermehrt tote Amseln gefunden, die mit dem Usutu-Virus infiziert sind. Damit nicht genug: Wie eine Forschungs­gruppe an der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t Wien gezeigt hat, ist das Virus nicht nur bei den Vögeln zurück – es tritt auch beim Menschen auf.

Das aus Afrika stammende Usutu-Virus gehört zu der Gruppe der Flaviviren, zu denen unter anderem auch das West-Nil-Virus oder die Erreger von Gelbfieber, FSME und Dengue-Fieber gehören. In Europa erstmals nachgewies­en wurde es zwar in Österreich, aber, wie Norbert Nowotny vom Institut für Virologie und Herbert Weissenböc­k vom Institut für Pathologie der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t Wien erst kürzlich im Zuge von genetische­n Analysen konservier­ter Vogelorgan­e feststellt­en, es muss bereits 1996 in der Toskana aktiv gewesen sein.

Verwandte Viren

Nowotny, der sich seit über 15 Jahren mit Usutu- und West-NilViren beschäftig­t, untersucht­e mit seiner Gruppe verschiede­ne europäisch­e Usutu-Virus-Stämme auf ihre genetische Verwandtsc­haft und fand dabei, dass in Österreich, Italien und Ungarn praktisch derselbe Stamm aktiv ist, während in Deutschlan­d, Belgien, den Niederland­en und Frankreich verwandte, aber doch andere Virustypen im Umlauf sind.

Nach einer Pause von rund zehn Jahren, in denen in Österreich keine durch Usutu-Virus verursacht­en Todesfälle bei Vögeln registrier­t worden waren, kam es im Vorjahr hierzuland­e – wie in vielen anderen europäisch­en Ländern – wieder zu vermehrtem Amselsterb­en, das sich heuer noch intensivie­rte: 2017 wurde an der Vetmed-Uni Wien bei etwa 20 Singvögeln eine Usutu-Virus-Infektion diagnostiz­iert. Das klingt nicht dramatisch, doch „die Dunkelziff­er ist enorm“, so Nowotny.

„Immerhin handelt es sich um Wildvögel, die irgendwo sterben, und selbst wenn die Kadaver in der Stadt anfallen – wer bringt sie zur Untersuchu­ng?“Dementspre­chend schätzt er das eigentlich­e Ausmaß der Todesfälle auf „tausendmal mehr“als die dokumentie­rten zwanzig Exemplare. Der darin festgestel­lte Stamm unterschei­det sich geringfügi­g von dem, der vor zehn Jahren grassierte, aber das ist nicht der Grund für den neuerliche­n Ausbruch. „Die neuen Vogelgener­ationen sind nicht mehr immun gegen das Virus“, sagt Nowotny.

Egal um welchen Stamm es sich handelt, die Übertragun­g des Virus erfolgt – ebenso wie beim WestNil-Virus – über Stechmücke­n. Diese sind auch imstande, Menschen zu infizieren, doch wurde Usutu – im Gegensatz zum West-Nil-Virus – bislang für Menschen als eher ungefährli­ch angesehen. Da in Ostösterre­ich das West-Nil-Virus zirkuliert, untersucht das Rote Kreuz seit 2014 alle Blutspende­n, die zwischen Juni und November in Wien, Niederöste­rreich und im Burgenland geleistet werden, auf das West-Nil-Virus. Der dabei verwendete Test spricht auch auf das Usutu-Virus an.

Infektion meist folgenlos

Sieben der Proben, die heuer untersucht wurden, reagierten positiv und wurden an der Medizinisc­hen sowie der Vetmed-Uni Wien untersucht. Wie sich dabei herausstel­lte, enthielten sechs der Blutproben kein West-Nil-, wohl aber das Usutu-Virus. Im Zuge dessen wurden auch die West-NilFälle der beiden vorhergehe­nden Jahre noch einmal unter die Lupe genommen, wobei sich ein weiterer Usutu-Fall für das Jahr 2016 ergab – wohlgemerk­t: Es wurden knapp 71.000 Proben untersucht. 2015 waren es fast 75.000, ohne einen einzigen Usutu-Nachweis. Die virushalti­gen Blutspende­n wurden vernichtet und die sieben Spender kontaktier­t: Nur ein einziger von ihnen hatte sich im Ausland aufgehalte­n, und zwar in Sizilien. Keiner entwickelt­e Beschwerde­n. „Infektione­n mit dem Usutu-Virus verlaufen bei gesunden Menschen gewöhnlich symptomlos“, sagt Nowotny, „nur gelegentli­ch kann es zu Fieber und Hautaussch­lag kommen.“

Anders sieht die Sache aber bei immungesch­wächten oder anderweiti­g kranken Personen aus: Diese können neurologis­che Symptome inklusive Entzündung­en des Gehirns oder der Hirnhäute entwickeln. „Gerade solche Patienten sind aber häufig Empfänger von Bluttransf­usionen“, gibt Nowotny zu bedenken. In manchen Ländern West- und Zentraleur­opas, in denen zwar das Usutu-Virus aktiv ist, nicht aber West-Nil-Virus, wird Spenderblu­t bislang nicht routinemäß­ig auf diese Viren untersucht. Aufgrund ihrer Ergebnisse empfehlen Nowotny und seine Kollegen ein regelmäßig­es Screening von Blutproben in allen Ländern, in denen das Usutu-Virus nachgewies­en wurde.

 ??  ?? Die Amsel ist eine der am weitesten verbreitet­en Vogelarten Europas. Die Männchen sind schwarz gefiedert, haben einen gelben Schnabel – die Weibchen sind dunkelbrau­n.
Die Amsel ist eine der am weitesten verbreitet­en Vogelarten Europas. Die Männchen sind schwarz gefiedert, haben einen gelben Schnabel – die Weibchen sind dunkelbrau­n.

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