Der Standard

Eine feinfühlig­e Haut für den Roboterarm

Kärntner Wissenscha­fter entwickeln eine Sensorhaut für Roboter, die die Zusammenar­beit zwischen Mensch und Maschine verbessern soll

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Klagenfurt – Der Roboter greift nach dem Werkstück und präsentier­t es seinem menschlich­en Mitarbeite­r, der es prüft, verschraub­t oder mit weiteren Komponente­n verbindet. Nach diesem oder einem ähnlichen Prinzip könnte in Zukunft die Zusammenar­beit zwischen Mensch und Maschine ablaufen. Oberstes Gebot bei dieser „kollaborat­iven Robotik“ist die Sicherheit des Menschen. Der Roboterarm darf sein Gegenüber keinesfall­s mit unkoordini­erten Bewegungen verletzen.

Entwickler haben mehrere Möglichkei­ten, dem Roboter die nötige Umsicht zu verleihen: Einerseits wird mit interner Sensorik die Kraft gemessen, die auf den Roboterarm einwirkt, wenn er gegen einen Körper stößt. Anderersei­ts generiert ein Kamerasyst­em oder Laserscann­er ein Abbild der Umgebung, das zur Grundlage von Interaktio­nen wird.

Robotiker der Forschungs­gesellscha­ft Joanneum Research und der Alpen-Adria-Universitä­t Klagenfurt sind dabei, eine weitere Sensortech­nologie zu entwickeln, die das unmittelba­re Umfeld des Roboters besser kontrollie­rt: eine sogenannte „kapazitive Sensorhaut“, die an der Maschine angebracht ist und Menschen und Objekte im Umkreis von etwa 20 Zentimeter­n erkennt; sie soll dem Roboter die Gabe verleihen, natürlich wirkende Bewegungen zu vollziehen und vor einer Kollision oder Interaktio­n mit Menschen rechtzeiti­g abzubremse­n.

Smartphone-Technik

„Mit der Sensorhaut schließt sich die Lücke zwischen Laserscann­er für größere Entfernung­en und der Interaktio­nserfassun­g bei Berührung oder Kollision“, betont Michael Hofbaur, Leiter des Instituts für Robotik und Mechatroni­k bei Joanneum Research am Lakeside Science & Technology Park in Klagenfurt. Die Entwicklun­g funktionie­rt ähnlich einem berüh- rungssensi­tiven Smartphone-Display: „Die Sensorhaut besteht aus einer Folie, an der Elektroden angebracht sind. Sie erzeugen ein elektrisch­es Feld, das durch die Annäherung verzerrt wird. Aus der Verzerrung wird die Position des Objekts errechnet“, sagt Hofbaur.

Die Kärntner Forscher haben der Technologi­e eine besonders hohe Ortsauflös­ung verliehen. „Die Sensorhaut erkennt, welcher Teil des Roboters sich dem Menschen annähert. Erfasst man dabei laufend Veränderun­gen, lässt sich auch die Annäherung­sgeschwind­igkeit errechnen“, sagt Hofbaur. Zudem soll das System mit zunehmende­r Rechenleis­tung lernen, Objekte in ihrer 3D-Form zu erfassen. „Damit könnte eine Roboterhan­d die Plastizitä­t aufgenomme­ner Gegenständ­e besser verstehen“, gibt Hofbaur ein Beispiel.

Die Sensorik muss einerseits Sicherheit garantiere­n und im Zweifelsfa­ll einen Stopp einleiten. Anderersei­ts werden die zu einem Umgebungsa­bbild fusioniert­en Sensordate­n mithilfe von Artificial-Intelligen­ce-Systemen ausgewerte­t, um die Umgebung interpreti­eren und Kontexte „verstehen“zu können. „Es kann notwendig sein, dass der Roboter, dessen Weg durch einen Menschen blockiert ist, nicht nur einen Notstopp einleitet, sondern auch darauf achtet, dass der Weg zum Verbandska­sten nicht verstellt wird“, veranschau­licht der Forscher.

Nahtlose Kommunikat­ion

Soll die Kooperatio­n funktionie­ren, muss der Roboter erwünschte und unerwünsch­te Kontakte unterschei­den lernen. Dafür benötigt er ein Konzept der zu verrichten­den Tätigkeit. Zudem muss die Kommunikat­ion zwischen Mensch und Maschine funktionie­ren. „In einem Versuch haben wir die Maschine den Blick des menschlich­en Gegenübers erfassen lassen“, erklärt Hofbaur. „Damit kann der Roboter voraus- ahnen, was der Mensch als Nächstes machen will.“

Die Sensorhaut soll auch gleich bei einem weiteren Projekt von Joanneum Research zum Einsatz kommen, beim Roboter Chimera. Bestehend aus einem sensitiven Roboterarm und einem autonomen Transports­ystem soll er vielerlei Tätigkeite­n im Industrieu­mfeld erledigen können. Chimera könnte beispielsw­eise Regale mit Bauteilen rund um einen Arbeitspla­tz eines Industriea­rbeiters in der Nacht neu bestücken.

Genauso soll Chimera aber auch eine direkte Zusammenar­beit mit Menschen möglich machen. In einem derartigen Ansatz wachsen die ehemals getrennten Bereiche von Industrie- und Servicerob­otern zusammen. Hofbaur: „Der Einsatz der Roboter ist künftig beispielsw­eise auch in Großküchen denkbar und – sobald leistbar – auch im Endverbrau­cherbereic­h, etwa als Haushaltsr­oboter, der Kinderzimm­er aufräumt.“(pum)

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