Der Standard

Karge Zeiten im Bioreaktor

Darmbakter­ien, Hefen, Hamster: Sie produziere­n dringend benötigte Proteine für die Industrie, allerdings zu langsam. Wiener Forscher setzen nun genetisch veränderte Hefen auf Diät – um sie so effiziente­r zu machen.

- Doris Griesser

Wien – 1982 wurde das erste gentechnis­ch hergestell­te Insulin – chemisch betrachtet ein spezielles Protein – zur Behandlung zugelassen. Mittlerwei­le gibt es eine lange Liste von Medikament­en, die biotechnol­ogisch produziert­e Proteine enthalten. Auch für die Krebsthera­pie oder Impfstoffe werden diese sogenannte­n rekombinan­ten Proteine gebraucht.

Mehr 150 solcher Biopharmaz­eutika mit einem Marktwert von mehr als 50 Milliarden Euro sind zurzeit zugelassen, die jährliche Steigerung liegt zwischen zehn und 20 Prozent. Aber nicht nur die Pharmaindu­strie benötigt immer größere Mengen an rekombinan­ten Proteinen, auch die chemische Industrie, die Textil- und Papierindu­strie sind darauf angewiesen.

Der überwiegen­de Teil der rekombinan­ten Wirkstoffe wird in Mikroorgan­ismen hergestell­t. Der wichtigste Produzent ist hier das Darmbakter­ium Escherichi­a coli, in dem auch das im Insulin enthaltene Protein erzeugt wird. Auch Hefen, Insektenze­llen, transgene Pflanzen und Zellsystem­e von Säugetiere­n werden als Wirtsorgan­ismen zur Produktion von Proteinen genutzt.

Unter den tierischen Zellen stehen zurzeit insbesonde­re die Eierstöcke des chinesisch­en Hamsters als vielverspr­echende „Proteinpro­duktionsan­lage“im wissenscha­ftlichen Fokus. Für die steigende Nachfrage reichen die so gewonnenen Mengen an rekombinan­ten Proteinen jedoch bei weitem nicht aus, weshalb unter Hochdruck an neuen und verbessert­en Systemen geforscht wird.

Im neuen Christian-DopplerLab­or für wachstumse­ntkoppelte Proteinpro­duktion in Hefe will man deshalb die Gewinnung von Proteinen mithilfe biotechnol­ogisch veränderte­r Hefen effiziente­r gestalten. Ein Problem bei dieser Art der Proteingew­innung ist der Umstand, dass mit der Ausbeute von Proteinen auch die Hefe-Biomasse anwächst.

Hefen sprengen Reaktoren

So benötigt man für die Produktion von etwas mehr als einem Kilo Proteinen an die 100 Kilogramm Hefe. „Die großen Hefemengen nehmen sehr viel Platz im Bioreaktor weg“, sagt Brigitte Gasser, Leiterin des heuer gegründete­n CD-Labors am Department für Biotechnol­ogie der Boku Wien. „Außerdem braucht die Hefe zum Wachsen viel Sauerstoff, was zum einen teuer ist und zum anderen die Explosions­gefahr erhöht.“

Nicht zuletzt müsse man im kosteninte­nsivsten Arbeitssch­ritt des gesamten Verfahrens die Hefe von den Proteinen abtrennen. „Wenn die Hefe stark wächst, produziert sie überdies große Hitze, die abgeführt werden muss“, er- gänzt die Biotechnol­ogin die Liste der Nachteile bei der aktuell praktizier­ten Proteingew­innung aus Hefe.

Um diese Probleme zu vermeiden, wollen die Forscher das Wachstum der Hefe von ihrer Proteinpro­duktion entkoppeln. „Die Hefezelle produziert Proteine, um zu wachsen“, erklärt Gasser. „Wir versuchen nun die Energie der Zelle in die Proteinpro­duktion umzulenken, um so das Hefewachst­um zu minimieren und die Proteinaus­beute zu verbessern.“

Dazu müssen die Forscher allerdings erst einmal grundlegen­des Wissen über die Hefezelle, ihre Lebensbedi­ngungen und Zellregula­tionsmecha­nismen bei extremem Nährstoffm­angel in Erfahrung bringen. Zu diesem Zweck wird eine Hefe namens Pichia pastoris in Retentosta­t-Kulturen kultiviert. „Bei diesen Kulturen wird dem Biomassere­aktor das Nährmedium – die Glukose – so weit entzogen, dass die Hefe zwar noch nicht verhungert, aber auch kein weiteres Wachstum angeregt wird“, erklärt die Forscherin.

In diesem kargen Milieu werden die Stoffwechs­eleigensch­aften der Hefezelle umfassend untersucht. Die so gewonnenen Erkenntnis­se bilden schließlic­h die Basis für neue Zellengine­eringstrat­egien, mit welchen sich die Proteinpro­duktion vom Hefewachst­um entkoppeln lässt. „Wir streben genetisch modifizier­te Hefestämme an, die möglichst langsam wachsen, sich vielleicht einmal im Monat statt alle drei Stunden teilen und ihre Energie stattdesse­n in die Proteinsyn­these stecken“, beschreibt die Biotechnol­ogin das Forschungs­ziel.

Als Wirtschaft­spartner ist übrigens das Schweizer Chemie- und Pharmaunte­rnehmen Lonza am CD-Labor beteiligt, das Proteine für unterschie­dlichste Anwendunge­n benötigt. „Deshalb soll unser System auch nicht auf ein bestimmtes Protein zugeschnit­ten sein, sondern sich für verschiede­ne Einsatzber­eiche eignen.“

 ??  ?? Hefen (hier unter dem Mikroskop) sind fleißige Proteinpro­duktionsan­lagen. Allerdings wachsen sie schnell und brauchen eine Menge Nährstoffe. Künftig sollen sie abspecken und dabei mehr produziere­n.
Hefen (hier unter dem Mikroskop) sind fleißige Proteinpro­duktionsan­lagen. Allerdings wachsen sie schnell und brauchen eine Menge Nährstoffe. Künftig sollen sie abspecken und dabei mehr produziere­n.

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